Das Bundesverfassungsgericht fordert ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister. Intersexuellen Menschen sollen damit die Möglichkeit haben, ihre geschlechtliche Identität "positiv" eintragen zu lassen.
dritte option
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Das dritte Geschlecht im Geburtsregister mag vielen unnötig, ja lächerlich erscheinen. Aber: Es nimmt niemandem etwas weg. Jenen, die ratlos vor einem intersexuellen Baby stehen, nimmt es den Druck, eine womöglich falsche Entscheidung zu treffen.

Männlich, weiblich, divers. Drei Geschlechter soll es nun geben, hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen: Bis Ende 2018 muss der Gesetzgeber eine dritte Kategorie im Geburtenregister schaffen. Sie kann "divers" heißen, "inter" oder eine andere "positive Bezeichnung des Geschlechts" erhalten.

Was soll das denn, werden viele kopfschüttelnd fragen - wozu bitte ein drittes Geschlecht? Muss man noch auf die kleinste Minderheit Rücksicht nehmen, die sich nicht entscheiden kann? Muss man selbst die letzten Sicherheiten auflösen, biologische Fakten verwässern? Man wird schließlich eindeutig als Junge geboren oder als Mädchen, oder?


Kommentar: Biologisch und faktisch, ja.


Genau hier liegt das Problem: Das wird man eben nicht immer. Es geht hier nicht um Homosexualität und auch nicht um Transsexualität, bei der ein als Mann Geborener sich als Frau fühlt oder andersherum und sich dann geschlechtsumwandeln lässt.

Bundesverfassungsgericht fordert drittes Geschlecht im Geburtenregister

Nein, es geht um Menschen, die man früher Zwitter genannt hat und von denen bis zu 120.000 in Deutschland leben. Menschen, bei denen die biologischen Fakten sagen: weder Junge noch Mädchen, weder Mann noch Frau. Durch eine Laune der Natur wird einem Baby statt eines XY etwa ein XXY mitgegeben, was bewirkt, dass dieser Mensch nie in die Pubertät kommen wird. Was ist er also?

Oder die Genitalien sind so uneindeutig, dass Ärzte ratlos sind. Manche Jungen haben auch eine Gebärmutter, bei manchen Mädchen sind Hoden nach innen gewachsen, manche haben von beidem nur Ansätze.

Weil Intersexualität im gesellschaftlichen Bewusstsein kaum präsent ist, stehen Eltern unter Schock, wenn es ihr Baby trifft und alle Welt von ihnen wissen will, was es denn nun ist, dieses Kind, Junge oder Mädchen? Schnell wird dann zur Eindeutigkeit umoperiert. Die OP-Zahlen bei intersexuellen Kindern sind seit Jahren gleich, obwohl Experten vor der OP warnen. Weil sie medizinisch unnötig ist. Weil die Betroffenen danach oft lebenslang Schmerzen oder Einschränkungen beim Sex haben. Weil eine solche OP natürlich auch Folgen für die Psyche hat.

Das dritte Geschlecht im Geburtsregister mag vielen lächerlich oder unnötig scheinen. Aber es tut ihnen nicht weh und nimmt ihnen nichts weg. Wer eindeutig Mädchen oder Junge, eindeutig Frau oder Mann ist, der wird es nach wie vor bleiben.

Jenen aber, die ratlos vor einem intersexuellen Baby stehen, Eltern, Ärzten und Behörden, nimmt die neue Kategorie den Druck, eine Entscheidung zu treffen, die willkürlich sein muss, weil sie auf nichts Belastbarem gründen kann - und gibt sie demjenigen in die Hände, der sie zu leben hat.