Kapitol in Washington
© CC BY 2.0 / David / "12,000 Flags for 12,000 Patriots" Event
John Perkins arbeitete für ein US-Wirtschaftsberatungs-Unternehmen - bis er entdeckte, dass sein Arbeitgeber Aufträge für die US-Geheimdienste CIA und NSA ausführte. Er stieg aus. In Teil 2 des exklusiven Sputnik-Gesprächs spricht er über Beweggründe und Hintergründe seiner Arbeit - und warum er trotz Morddrohungen sein Buch "Bekenntnisse" schrieb.

Mr. Perkins, wie haben Sie eigentlich bemerkt, dass Ihr Arbeitgeber, eine Consulting Firma in Boston, Aufträge für die US-Geheimdienste NSA und CIA ausführt? Gab es da einen bestimmten Augenblick der Wahrheit, oder wie haben Sie das herausgefunden?

Ich muss eines klarstellen: Ich habe nie direkt für diese Dienste gearbeitet. Und für mein Unternehmen muss ich sagen: Die Aufträge kamen über die Weltbank oder über die US-Entwicklungsbehörde. Oder vom US-Finanzministerium. Mit diesem hatten wir einen Vertrag über ein Engagement in Saudi-Arabien. Also: Meine Firma wurde von diesen Institutionen bezahlt. Und meine Firma wiederum hat mich bezahlt. Wir hatten nie einen richtigen Vertrag mit der NSA oder der CIA. Das lief immer über Zwischenverträge, Mittelsmänner und Sub-Unternehmen - soweit ich zumindest weiß.

Die Verbindung, die ich zur NSA hatte, war sehr indirekt. Der Mann, der mich bei Chas T. Main* eingestellt hatte, war in der Reserve der US-Armee und hatte wohl Verbindungen zu US-Geheimdiensten. Also gab es eine indirekte Beziehung, aber keine direkte.

(* Anm. d. Red.: Chas T. Main war ein Wirtschaftsberatungs-Unternehmen mit Sitz in Boston, USA. Dort arbeitete Perkins als Chef-Ökonom. Seine Aufgabe war es, mit Weltbank-Krediten Entwicklungsländer und deren Regierungen von US-Unternehmen abhängig zu machen. Darüber hinaus wurden die Kredite als Druckmittel verwendet, um bestimmte außenpolitische und geheimdienstliche Ziele der USA in diesen Ländern zu verwirklichen: Beispielsweise den billigen Zugang zu Rohstoffen wie Öl oder den Bau von US-Militär-Basen in dem Land. Lesen Sie mehr dazu in Teil 1 des Interviews.)

Also haben Sie auch keine CIA- oder NSA-Agenten im Rahmen Ihrer Tätigkeit getroffen?

Ich habe wahrscheinlich welche getroffen, aber sie haben sich nie als solche identifiziert. Das ist ziemlich typisch für jede Geheimdienstszene. Egal ob in Deutschland, in Russland oder in der Sowjetunion zu jener Zeit. Es ist typisch, dass Leute, die für die CIA oder den KGB arbeiten, keine Namenskarten tragen oder sich selbst so nennen. Sie hatten meist Cover-Identitäten, waren offiziell Diplomaten, Handelsattachés in der US-Botschaft, oder sie arbeiteten für Privatunternehmen. Ich traf also nie jemanden, der sich als CIA- oder NSA-Agent identifiziert hatte. Ich vermute jedoch, dass ich einige von denen im Laufe meiner Arbeit getroffen und auch mit ihnen zusammengearbeitet habe.

Welche Rolle spielen die Geheimdienste im heutigen Weltwirtschaftssystem?

Das zeigen mittlerweile auch TV-Serien im US-Fernsehen wie "Patriot": Die NSA, die CIA und andere solcher Dienste bedienen sich häufig Leuten aus der Wirtschaft. So wie die NSA das bei mir gemacht hat. Warum? Weil das einfach nur ein Super-Cover ist. Sprich: Man nimmt sich Wirtschaftsleute, die verdeckt für die Geheimdienste arbeiten. Ich wurde niemals von der CIA oder der NSA bezahlt. Ich wurde immer von meinem Arbeitgeber Chas T. Main bezahlt. Der wiederum wurde aber von den Diensten bezahlt, um gewisse Infrastruktur-Projekte in den armen Ländern durchzuführen. Damit kann die US-Regierung hinterher immer glaubhaft beteuern, man habe mit der ganzen Aktion nichts zu tun und nie davon gewusst. Das wurde ja alles nur von einer privaten Firma getan.

Warum sind Sie dann ausgestiegen?

In den ersten Jahren dachte ich, was ich dort mache, ist eine gute Sache für jeden, auch für die Entwicklungsländer. Weil wir ja Geld investierten und die Länder vorankamen - wie Statistiken zeigten. Aber im Laufe der Zeit begann ich zu sehen, dass die Investitionen nur wenige reiche Familien in den Entwicklungsländern, US-Unternehmen und natürlich meine Firma begünstigten. Wenn wir Geld an Länder wie Ecuador oder Indonesien verliehen, war das immer an die Bedingung geknüpft, dass dieses Geld dazu verwendet wird, Infrastruktur-Aufträge ausschließlich für US-Unternehmen in diesen Ländern zu sichern, für US-Firmen wie Halliburton oder General Electric. Und dabei halfen die reichen, Oligarchen-Familien in den betreffenden Ländern mit.

Jedoch: Die Mehrheit der Bevölkerung im Land, die Armen und Ärmsten, litten weiter und blieben finanziell am Boden. Es hat mich Jahre gekostet, das zu kapieren. Ein Grund für dieses Verständnis liegt auch darin, dass ich im Friedenscorps der USA gedient habe und fließend Spanisch sprechen kann. Ich war in diesen Ländern auf den Straßen, habe mit der Bevölkerung geredet, habe gesehen, wie schlecht es denen geht.

Was geschah nach Ihrem Ausstieg?

Mein alter Arbeitgeber hat alles versucht, mich weiter drin zu behalten. Ich zog aber weg und begann, ein Buch zu schreiben. Darüber, was ich getan habe. Ich kontaktierte andere Leute aus der Branche. Die sogenannten "Schakale". Sie kamen zum Einsatz, wenn wir Economic Hitmen nicht damit weiterkamen, die Staatsführung eines Landes zur Kooperation mit uns zu bewegen. Unwillige Regierungen wurden dann von den Schakalen durch Staatsstreiche, durch Putsche oder sogar durch Attentate abgesetzt.

Ich habe nach meinem Ausscheiden Drohanrufe und Morddrohungen erhalten. Drohungen gegenüber mir, meiner Familie, meiner Tochter. Und ich erhielt sogar ein sehr lukratives Angebot von einem anderen Wirtschaftsberatungs-Unternehmen, einem unserer Haupt-Konkurrenten. Sie sagten mir: "Nimm unser Angebot an und schreib das Buch nicht." Also fühlte ich mich etwas bedrängt und schrieb erstmal Bücher zu anderen Themen. Erst viele Jahre später schrieb ich dann "Bekenntnisse eines Economic Hitman", mein bekanntestes Buch.

Im letzten Interview hatten Sie bereits darüber berichtet, wie Sie die Welt zu einem besseren Ort machen wollen. Bitte erzählen Sie uns etwas darüber, was Sie da genau tun? Was ist die Hauptaufgabe Ihrer eigenen Organisation "Dream Change"?

"Dream Change" ist eine gemeinnützige Organisation, die ich zu gründen half. Unser Job dort ist es, den Traum zu ändern. Das herrschende Paradigma des Raubtier-Kapitalismus zu ändern. Die Wahrnehmung zu ändern. Was wir lernen und verstehen müssen, ist, dass menschliche Realität durch Wahrnehmung, durch Perzeption, geprägt und gestaltet wird. Es gibt die physische, die objektive Realität. So wie wir beide hier über Mikrofone miteinander kommunizieren. Aber die Worte, die wir sprechen, passieren auf der Ebene der Wahrnehmung. Wenn man das vertieft, erkennt man: Es gibt keine Staaten, kein Deutschland, kein Russland, keine USA. Keine Religionen, keine Kulturen.

All das existiert nur, weil es Menschen so wahrnehmen. Und wenn genug Menschen die gleiche Sache als solche wahrnehmen und akzeptieren, dann hat das plötzlich Auswirkungen auf die objektive Wirklichkeit. Zum Beispiel durch Gesetze. Mein Job ist es heute, diese Wahrnehmung zu ändern. Wir wissen, dass die Welt heute in einer großen Krise ist. Gefangen in einem Wirtschafts-System, in einem Militär-System, das die Erde, die Umwelt bedroht. Und das alles nur, weil die großen globalen Unternehmen, die die Welt kontrollieren, nur auf Profit-Maximierung aus sind und alle negativen Folgen ignorieren. Ich möchte mithelfen, diesen Zustand zu ändern.

Das erste Interview mit John Perkins zum Nachhören:


Das zweite Interview mit John Perkins zum Nachhören: