Rund 800.000 Menschen in Deutschland leiden gleichzeitig an einer Depression und an Diabetes. Auf den ersten Blick haben die beiden Krankheiten nichts miteinander zu tun, aber das täuscht. Denn oft bedingen sich Depression und Diabetes. Doch das kann gravierende Folgen für die Betroffenen haben.
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Diabetes und Depression - das sind zwar zwei verschiedene Krankheiten. Doch für viele Menschen gehören die beiden zusammen, sagt Professor Bernhard Kulzer, Psychologe und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft:
"Wir haben leider eine doppelte Anzahl von Menschen mit Diabetes, die eine Depression haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.

In Zahlen ausgedrückt haben wir etwa 800.000 Menschen mit Diabetes mellitus, die an einer klinischen Depression leiden."
50 Prozent erhöhtes Sterblichkeitsrisiko

Treten beide Krankheiten gemeinsam auf, dann hat das ernste Konsequenzen, erzählt Bernhard Kulzer. Das haben mehrere Untersuchungen offen gelegt:
"Leider zeigen die Studienergebnisse, dass Menschen mit Diabetes und einer Depression deutlich schlechtere Blutzuckerwerte haben, mehr Folgeerkrankungen und auch eine deutlich erhöhte Sterblichkeit. Das heißt, das Mortalitätsrisiko, also das Risiko frühzeitiger zu versterben, ist etwa 50 Prozent erhöht im Vergleich zu Menschen, die keine Depression haben."
Das liegt wohl an mehreren Faktoren. Zum einen raubt eine Depression viel Energie. Diabetiker benötigen jedoch ein gewisses Maß an Energie für ihre Diabetes-Behandlung, denn die muss jeden Tag, regelmäßig und ohne Ausnahmen, erfolgen, erklärt Bernhard Kulzer. Eine Depression steht dem oft im Wege.

"Das heißt, sie messen weniger den Blutzucker, sie spritzen weniger, sie schaffen es weniger sich körperlich zu bewegen, sie schaffen es nicht so auf die Ernährung zu achten wie in einem Stadium, wo die Depression eben nicht da ist."

Gravierende Folgen für den Körper

Deswegen haben Diabetiker, die an einer Depression leiden, in der Regel einen schlechter eingestellten Blutzuckerspiegel. Dadurch werden gerade die kleineren Blutgefäße im Körper belastet und das führt zu den typischen Folgeerkrankungen eines Diabetes: Probleme mit den Augen, den Füßen, den Nieren und den Nerven. Doch das ist nicht alles: Auch die Depression selber wirkt negativ auf die Blutgefäße. Denn eine Depression bedeutet für den Körper Stress. Chronischen Stress, von dem der Körper sich auch nachts nicht erholen kann, denn oft genug geht eine Depression mit Schlafproblemen einher. Bernhard Kulzer:
"Die Depression bei Menschen mit Diabetes hat nicht nur die Konsequenz, dass es Menschen schlechter geht, dass ihre Lebensqualität und ihre Stimmung schlechter ist, sondern hat auch Auswirkungen, dass durch den chronischen Stress entzündliche Prozesse an den Gefäßen aktiviert werden."
Dadurch werden die Blutgefäße noch stärker geschädigt, als allein durch den Diabetes. Aber wie kommt es eigentlich, dass Diabetes und Depression so gehäuft zusammen auftreten? Dr. Andrea Benecke, Mitglied im Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer, schildert, wie diese beiden Krankheiten sich gegenseitig begünstigen:
"Zum Einen kann das lange Diabetes-Management, das man über viele Jahre quasi jeden Tag berücksichtigen muss, dazu führen, dass man im Verlauf der Jahre doch überfordert wird. Und wenn Folgeerkrankungen dann drohen, man merkt dass man dem nicht mehr gerecht werden kann, was dann oft in eine Depression führt, durch diese Hilflosigkeit und Überforderung."
Weitere Ursachen für Depressionen

Das tägliche Blutzuckermessen beim Typ-2-Diabetes, der vergebliche Kampf gegen das Übergewicht - diese und andere Aspekte können einer Depression den Weg bahnen. Es gibt aber auch Fälle, in denen eine Depression einem schweren Diabetes vorangeht, berichtet Andrea Benecke.

"Auf der anderen Seite kann es auch sein, das zunächst eine Depression da ist, aus unterschiedlichsten Gründen, die dann aber dazu führt, bei vorliegendem Diabetes, dass man diesem Management nicht mehr gerecht werden kann und sich daraus eine Wechselwirkung ergibt, die in jedem Fall schwierig zu behandeln ist und auch schwierig insbesondere für den Patienten wird."

Noch zu wenig Experten

Wichtig sei, dass Betroffene sich dann an einen Psychologen oder Psychotherapeuten wenden. Noch gebe es in Deutschland zu wenige von ihnen, die sich auch auf dem Gebiet der Diabetologie auskennen. Doch entsprechende Weiterbildungen, die seit kurzem angeboten werden, können diese Situation hoffentlich bald verbessern.