In arabischen Ländern haben Tausende gegen die Jerusalem-Entscheidung der USA protestiert. Im Westjordanland und im Gazastreifen wurden mehr als 280 Menschen verletzt.
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© Jafaar Ashtiyeh / AFP/Getty Images
Bei antiamerikanischen Protesten wurde mindestens ein Palästinenser getötet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza und des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond wurden zudem mehr als 280 Menschen verletzt, 80 von ihnen erlitten Schusswunden. Demnach setzte das israelische Militär in weiten Teilen des Westjordanlands und des Gazastreifens neben Tränengas, Gummigeschossen und Stinkwasserkanonen auch scharfe Munition gegen steinewerfende Demonstranten ein.

Eine Sprecherin der israelischen Armee bestätigte, dass Soldaten im Gazastreifen auf die "Hauptanstifter" gewalttätiger Unruhen geschossen und diese auch getroffen hätten. Im Westjordanland seien Warnschüsse in die Luft abgegeben worden. Sechs Personen wurden festgenommen.

Muslime weltweit in Aufruhr

Im Anschluss an die muslimischen Freitagsgebete war es überall in Nahost und insbesondere im Westjordanland, dem Gazastreifen und Jerusalem zu teils gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gekommen. Vor allem Jugendliche verbrannten amerikanische Flaggen und Reifen, warfen mit Steinen und Flaschen auf israelische Sicherheitskräfte. Die israelische Armee hatte mehrere zusätzliche Bataillone ins Westjordanland verlegt, die Polizei in Jerusalem war mit zusätzlichen Hundertschaften präsent.

Auf dem dortigen Tempelberg verliefen die Freitagsgebete nach Angaben der israelischen Polizei aber zunächst ohne Zwischenfälle. Bei anschließenden Demonstrationen am Damaskustor zur Jerusalemer Altstadt skandierten Palästinenser, Jerusalem sei eine palästinensische Stadt und gehöre Palästina. Die zunächst friedlichen Proteste eskalierten, als Demonstranten die israelischen Einsatzkräfte mit Steinen bewarfen. Diese lösten die Menschenansammlung auf.

Proteste gab es in zahlreichen arabischen Ländern, unter anderem in der Türkei, in Ägypten, Malaysia, im Irak und Afghanistan sowie in Indonesien und Bangladesch. Auch in der jordanischen Hauptstadt Ammam versammelten sich Tausende und forderten ihre Regierung auf, die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen. Im Libanon kam es zu Demonstrationen in der Hauptstadt Beirut und in palästinensischen Flüchtlingslagern, wo Reifen und israelische Flaggen angezündet wurden. Viele der Demonstranten forderten die Einheit der Araber gegen den "zionistischen Angriff".

Weder in diesem noch im nächsten Jahr

Auslöser der Proteste ist die weltweit kritisierte Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen- ein diplomatischer und historischer Alleingang. Inzwischen wies er das State Department an, mit dem Prozess zur Verlegung der US- Botschaft aus Tel Aviv zu beginnen. Nach Einschätzung von Außenminister Rex Tillerson wird der Umzug aber nicht vor 2019 abgeschlossen sein. Dafür seien Genehmigungen nötig, und das Gebäude der diplomatischen Vertretung müsse ja erst noch gebaut werden, sagte Tillerson nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian in Paris. "Das wird nicht in diesem Jahr passieren, vermutlich auch nicht im nächsten Jahr."

1967 hatte Israel im sogenannten Sechstagekrieg unter anderem Ostjerusalem von Jordanien erobert und diesen Stadtteil später annektiert. Die internationale Gemeinschaft erkennt diesen Schritt nicht an - vor allem aus Rücksicht auf die Palästinenser, die Ostjerusalem mitsamt der Klagemauer und dem Tempelberg als Hauptstadt für einen künftigen unabhängigen Staat Palästina beanspruchen.

Angesichts dieses Affronts hatte die radikalislamische Hamas für diesen Freitag zum Beginn eines neuen Palästinenseraufstands aufgerufen. "Heute, am 30. Jahrestag der ersten Intifada, erhebt sich unser Volk in Ablehnung gegen die Erklärung von Trump", sagte Ahmad Bahar, ein führender Hamas-Vertreter, während der Gebete in Gaza. "Jerusalem ist die Hauptstadt Palästinas und auch die Hauptstadt der Araber und Muslime."

Kein Treffen von Pence und Abbas

Inzwischen gehen die Palästinenser auch diplomatisch auf Distanz zu den USA. Nach der Entscheidung Trumps wird Palästinenserpräsident Mahmud Abbas US-Vizepräsident Mike Pence nicht wie geplant in Bethlehem treffen. "Dieses Gespräch wird nicht stattfinden", sagte der ehemalige Sicherheitschef Dschibril Radschub in einem Fernsehinterview. Nach Angaben der BBC hätten die USA die Palästinenser ausdrücklich vor einer solchen Absage gewarnt. Dazu sagte Abbas' Sprecher dem arabischen Sender Al Jazeera: "Jerusalem ist wichtiger - wichtiger als jedes Treffen mit Pence oder irgendeinem anderen amerikanischen Vertreter."

Derweil will Israel Fakten schaffen und möchte nun den Bau von Siedlerwohnungen in Jerusalem vorantreiben. Wie die Zeitung Ma'ariv berichtete, sollen dort 14.000 neue Wohnungen entstehen, davon 6.000 in Ost-Jerusalem. Laut der Times of Israel wäre dies der erste große Entwicklungsplan in Ostjerusalem in den vergangenen 20 Jahren.

ZEIT ONLINE, AFP, dpa, AP, KNA, Reuters, kg