Erdbebenschäden an Amerikas Kathedrale gehen in die Millionen

Die National Cathedral, eine allen Glaubensrichtungen offen stehende Kirche an der Wisconsin Avenue in Washington, erlitt bei dem starken Erdbeben vom Dienstag vielfältige Schäden. Laut einer ersten Bestandsaufnahme belaufen sich die Schäden auf mehrere Millionen Dollar. Die Versicherung zahlt nicht.
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© Nikki Kahn - Washington Post

Die Flügel des Engels sind zerbrochen. Sein Körper ist in zwei Teile gespalten, und seine Augen blicken nicht wie bislang auf die Stadt hinunter, sondern ins Leere. Er ist einer von 288 steinernen Engeln an der Kathedrale von Washington. Wie die Furcht einflößenden Wasserspeier und die Figur des Star-Wars-Bösewichts Darth Vader ist er der Fantasie der Steinmetze entsprungen. Der Engel hat nun seinen Platz verloren - gefallen durch die Naturgewalten. Das Erdbeben, das am Dienstag die US-Hauptstadt und andere Teile der Ostküste heimsuchte, ließ ihn herabstürzen. Zum Glück für Passanten fiel er nicht von einem der Türme bis auf den Boden, sondern stürzte auf das Dach der Kathedrale.

Die National Cathedral, eine allen Glaubensrichtungen offen stehende Kirche an der Wisconsin Avenue, erlitt bei dem starken Beben zwar keine gravierenden, aber dennoch vielfältige Schäden.

Erstaunlicherweise blieben die 231 Glasmalereien unversehrt, doch an verschiedenen Stellen des Gebäudes sind Risse und Brüche zu sehen. Der größte Schaden ist bereits von weitem sichtbar: Eine der vier Turmspitzen brach ab. Die massive Spitze fiel von dem fast 100 Meter hohen Turm und bohrte sich in eine Rasenfläche. Glücklicherweise befanden sich zum Zeitpunkt des Bebens keine Besucher in diesem Teil des Areals.

Erst 1990 endgültig fertiggestellt

Laut einer ersten Bestandaufnahme belaufen sich die Schäden auf mehrere Millionen Dollar. Für die Kathedrale ist das ein schwerer Schlag: Die Versicherung des ab 1907 im neogotischen Stil erbauten und erst 1990 endgültig fertiggestellten Gotteshauses deckt keine Schäden durch Erdbeben. Diese Gefahrenquelle scheint man beim Vertragsabschluss als zu vernachlässigende Größe eingestuft zu haben - etwas, dass keiner Kirchenleitung in San Francisco passieren dürfte. Immerhin: Ein Erdbeben dieser Stärke wurde in Washington zuletzt 1987 gemessen.

Bei den Reparaturen wird die Kathedrale somit hauptsächlich auf großzügige Spenden der Bürger angewiesen sein. Das Budget des Gotteshauses, das von der anglikanischen Kirche geführt wird, war in den vergangenen Jahren bereits kräftig verkleinert worden; das Personal wurde von 170 auf 70 Mitarbeiter reduziert.

Für Besucher gesperrt

Wegen der Schäden ist die National Cathedral zurzeit für Besucher geschlossen. Auch eine wichtige Veranstaltung musste deshalb verlegt werden: An diesem Samstag sollte hier ein ökumenischer Gottesdienst zur Einweihung des neuen Martin-Luther-King-Monuments am nächsten Tag abgehalten werden. Der Gottesdienst, zu dem rund 3.000 Gäste erwartet werden, darunter auch die Familie des Bürgerrechtlers, wird jetzt in der katholischen Basilica of the National Shrine of the Immaculate Conception stattfinden. Ob das King-Denkmal überhaupt eingeweiht werden kann, hängt allerdings von einer weiteren Naturgewalt ab, die sich der Hauptstadt nähert: dem Hurrikan Irene.

kna