In Rheinland-Pfalz haben die Unwetter am Sonntag besonders schlimm gewütet. Durch den Ort Fischbach raste eine bis zu 1,60 Meter hohe Flutwelle. Am Tag darauf stehen die Bewohner vor Schlamm und Trümmern.

in fischbach rheinland pfalz
© dpaIn Fischbach (Rheinland-Pfalz) sind nach nach heftigen Regenfällen viele Straßen teilweise meterhoch überflutet.
Als das Auto vor der Haustür seiner Mutter am Sonntagabend plötzlich wegschwamm, füllte Frank Gepert gerade Sandsäcke auf. "Ich konnte nur zuschauen, wie es die Straße runtergerissen wurde und im Fischbach verschwand." Es gibt ein Video, das zeigt, wie der Kombi an den Nachbarhäusern vorbeitrieb und in den Fluten versank. Dann verliert sich die Spur. Wo es jetzt ist? "Keine Ahnung", sagt Gepert. Er steht am Montagmittag dort, wo am Vortag noch das Auto des Lebensgefährten seiner Mutter geparkt war. Stattdessen liegen auf der Straße jetzt Trümmerberge aus zerstörten Tischen, Vasen, Regalen, Kühlschränken und anderem Gerümpel, das gestern noch kein Gerümpel, sondern Teil des Lebens seiner Mutter war.

Dann brach über den Landkreis Birkenfeld in Rheinland-Pfalz eines der heftigsten Unwetter seit Jahren herein. Eine Wettermessstation in der Region registrierte laut Deutschem Wetterdienst fast 150 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von drei Stunden. Hunderte Keller wurden überflutet, durch den Ort Fischbach raste eine bis zu 1,60 Meter hohe Flutwelle, die mehr als 50 Autos mitriss. Katastrophenalarm wurde ausgerufen, die Stromversorgung brach teilweise zusammen. Verletzt wurde niemand, der Schaden geht allerdings in die Millionen. Einige Einwohner von Fischbach mussten wegen Einsturzgefahr ihre Häuser verlassen.

Fischbach unter Wasser
© dpaFischbach unter Wasser - Wassermassen, Schlamm und Geröll
Los ging alles am späten Sonntagnachmittag gegen 17 Uhr. "Meine Schwester hat mich angerufen und gesagt, dass das Wasser bei meiner Mutter vor der Haustür immer weiter steigt", sagt Gepert. Als er dort ankam, stand es schon bis zur unteren Kante des Vorsprungs, der zur Eingangstür führt. "So hoch war es zuletzt vor mehr als 20 Jahren." Eine halbe Stunde später barst die Scheibe des Lagerraums im Erdgeschoss, und das Wasser strömte ins Haus. Die Straße hatte sich in einen reißenden Strom verwandelt. "Es war undenkbar, noch rauszugehen", sagt Gepert. Die Feuerwehr versuchte noch, mit einem Schlauchboot das Nachbarhaus zu erreichen, eine alte Frau war dort im Obergeschoss gefangen. Vergeblich.

Irgendwann zersprangen die Fenster

Auch deren Tochter ist am Montag auf der Straße und schippt Schlamm aus dem Haus, hinter dem der Fischbach jetzt wieder etwas ruhiger fließt. "Ich wollte zu meiner Mutter fahren", sagt sie, "aber konnte schon nicht mehr über die Straße, weil es zu gefährlich war." Stattdessen stand sie mit dem Handy in der Hand gegenüber auf einem erhöht liegenden Parkplatz und versuchte, die alte Frau zu beruhigen. "Sie hat zuerst noch im Erdgeschoss versucht, die Tür abzudichten. Zum Glück ist sie dann in den ersten Stock, weil die Tür irgendwann aufgeflogen ist." Irgendwann zersprangen auch die Fenster. Als sich die Lage gegen 23 Uhr langsam beruhigte, konnte die aufgelöste Frau aus dem Haus geholt werden.

Überschwemmung Fischbach
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Alle Menschen, die hier auf der Straße stehen, können ähnliche Geschichten erzählen. Ein 83 Jahre alter Mann zeigt seine Wohnung im Erdgeschoss, die voller Schlamm ist. Er lag nur wenige Meter entfernt von dem reißenden Strom im Bett, eine Wand trennte ihn von den Wassermassen. "Ich konnte nicht mehr raus, weil der Boden hier drin schon voller Wasser war", sagt er. Neben seinem Bett liegt immer noch eine Tasche mit Medikamenten, die er im Notfall hätte mitnehmen müssen. "Angst hatte ich nicht. Nur meine ganzen Sachen, die hätte ich gern in Sicherheit gebracht. Jetzt ist alles kaputt."

Ein Mädchen aus der Nachbarschaft war weniger gelassen: "Ich habe richtig Panik geschoben, geweint und rumgeschrien", sagt sie. Ihre Familie wollte sie schon wegen eines Nervenzusammenbruchs ins Krankenhaus bringen. Aus ihrem Haus schleppt gerade ein Mann zerstörte Möbel auf die Straße "Den kennen wir gar nicht, aber zum Glück hilft er uns", sagt sie. Er erklärt: "Ich wohne 30 Kilometer entfernt und bin spontan losgefahren, um zu helfen. Ich würde mich darüber ja auch freuen, wenn mir so etwas passiert."

Die Männer, die eine Ecke weiter schweißgebadet auf der Straße stehen, sind den vielen freiwilligen Helfer sehr dankbar. Am Sonntag versuchten sie zuerst noch, möglichst viel aus ihrem Haus zu retten. Um überhaupt dorthin zu gelangen, mussten sie über den Berg hinter dem Haus kommen und ein Loch in den Maschendrahtzaun schneiden - von vorne war das Haus nicht mehr zu erreichen. Irgendwann sahen sie ein, dass es kein Sinn mehr ergab: "Dann haben wir uns auf die Garage gesetzt und Bier getrunken", sagt Tobias Litzenburger. "Nachts sind wir durchs Fenster ins Haus und haben ein paar Stunden geschlafen."

An ihm vorbei läuft wenig später eine Frau mit einer riesigen Tüte in der Hand. Sie verteilt Würstchen und Brötchen an jeden, der ihr über den Weg läuft. Den Salat dazu hätte bis gestern noch Käthe Gehres machen können. Die Sechsundachtzigjährige war erst vergangene Woche nach einer Operation aus dem Krankenhaus zurückgekommen, vorher hatte sie extra schon den Garten hergerichtet. Jetzt liegt zwischen ihrem Haus und dem Fischbach eine dicke Schlammschicht über den Pflanzen. Von dem Salat sind nur noch ein paar Blätter zu sehen. "Das wird in diesem Sommer nichts mehr", sagt sie. Für Dienstag sind schon wieder heftige Unwetter mit Starkregen und Sturzfluten angekündigt.