Wenn wir mehr als 40 Jahre zurückschauen, ist es schwer zu begreifen, wie wir so leichtgläubig sein konnten. Wir waren davon überzeugt, dass Fett - und insbesondere gesättigtes Fett (vorrangig in tierischer Nahrung zu finden) - Cholesterol erhöhen und Herzkrankheiten verursachen würde. Stattdessen sollten wir uns auf "herzgesunde" pflanzliche Öle umstellen - wie Baumwollsamen-, Mais-, Safran- und Soja-Öl. Doch jüngste Befunde legen nahe, dass es sich dabei um einen faustischen Pakt handelte. Die industriell verarbeiteten Öle waren weitaus schlimmer. All dies war ein schlimmer Fehler, der mit Crisco seinen Anfang nahm.

pflanzliches öl
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Baumwoll-Plantagen für die Herstellung von Stoffen wurden in den Vereinigten Staaten bereits 1736 bebaut. Davor war Baumwolle im Großen und Ganzen eine Zierpflanze. Anfangs wurde die meiste Baumwolle zu Kleidung daheim versponnen, doch der Ertrag der Nutzpflanze gestattete es, dass einiges davon nach England exportiert werden konnte. Von bescheidenen 600 Pfund Baumwolle 1784 war er 1790 auf über 200.000 Pfund angewachsen. Die Erfindung der Baumwoll-Entkörnungsmaschine durch Eli Whitney führte von 1793 an zu atemberaubenden 40 Millionen Pfund Baumwoll-Produktion.

Doch Baumwolle besteht eigentlich aus zwei Nutz-Bestandteilen - der Faser und dem Samen. Auf 100 Pfund Fasern kamen 162 Pfund Baumwollsamen, die im Großen und Ganzen nutzlos waren. Nur 5% dieser Samen wurde zum Anpflanzen benötigt. Manches davon konnte als Viehfutter verwendet werden, aber es blieb immer noch ein ganzer Berg Abfall. Was konnte man damit tun? Zumeist ließ man es verrotten oder kippte es einfach illegal in Flüsse. Es war Giftmüll.

Währenddessen kam es in den 1820ern und 1830ern zu einem steilen Anstieg der Preise, aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Öl zum Kochen und für Beleuchtung durch eine zunehmende Bevölkerung, sowie dank einer verminderten Versorgung mit Walfischöl. Dynamische Unternehmer versuchten, die wertlosen Baumwollsamen zu zerstoßen, um das Öl zu extrahieren - doch erst in den 1850ern war die technologische Entwicklung bis zu dem Punkt gereift, an dem kommerzielle Produktion beginnen konnte. Aber 1859 geschah etwas, das die moderne Welt transformieren sollte. Oberst Drake stieß 1859 in Pennsylvania auf Öl, was der modernen Welt einen gewaltigen Vorrat an fossilen Brennstoffen bescherte. Über Kurz oder Lang hatte sich die Nachfrage für Baumwollsamen-Öl zu Beleuchtungszwecken gänzlich aufgelöst und Baumwollsamen wurden wieder als Giftmüll klassifiziert.

Mit einer Menge Baumwollsamen-Öl, jedoch ohne Nachfrage, wurde es illegalerweise tierischen Fetten und Schmalz beigemengt. Es gab keinen Beweis dafür, das dies in irgendeiner Weise sicher für menschlichen Verzehr war. Wir essen ja schließlich nicht unsere T-Shirts aus Baumwolle. Gleichermaßen wurde Baumwollsamen-Öl, leicht im Geschmack und gelblich, mit Oliven-Öl vermischt, um Kosten zu senken. Dies führte dazu, dass Italien das verunreinigte amerikanische Oliven-Öl 1883 verbot. Die Firma Proctor & Gamble benutzte Baumwollsamen-Öl für die Herstellung von Kerzen und Seife, doch entdeckte bald, dass ein chemischer Prozess dazu genutzt werden konnte, Baumwollsamen-Öl zu einem teilweise festem (gehärteten) Fett zu hydrogenieren, das Ähnlichkeit mit Schmalz hatte. Deser Prozess führte zu dem, was nun als "Transfette" bezeichnet wird; er machte dieses Produkt extrem vielseitig für den Gebrauch in der Küche, auch wenn eigentlich keiner wusste, ob wir uns diesen früheren Giftmüll in unseren Mund schieben sollten.

Es machte Gebäck flockiger. Es konnte zum Braten genutzt werden. Es konnte zum Backen verwendet werden. War es gesund? Niemand wusste es. Denn dieses neumodische halb-feste Fett ähnelte Nahrung, somit wurde die Entscheidung getroffen, es als Lebensmittel zu vermarkten. Sie bezeichneten dieses revolutionäre neue Produkt Crisco, was für kristallisiertes Baumwollsamen-Öl stand.

Crisco wurde geschickt als billigere Alternative zu Schmalz vermarktet. 1911 riefen Proctor & Gamble eine glänzende Kampagne ins Leben, Crisco in jeden amerikanischen Haushalt zu bringen. Sie produzierten ein Buch mit Rezepten, in all denen natürlich Crisco verwendet wird und gaben es kostenlos heraus. Das hatte es zu dieser Zeit noch nicht gegeben. Werbungen aus dieser Ära bekundeten auch, dass Crisco aufgrund seines pflanzlichen Ursprungs leichter verdaulich, billiger und gesünder sei. Dass Baumwollsamen eigentlich Abfall waren, wurde nicht erwähnt. In den nächsten 3 Jahrzehnten dominierten Crisco und andere Öle aus Baumwollsamen die Küchen Amerikas, wobei sie Schmalz ersetzten.

In den 1950ern wurde auch Baumwollsamen-Öl selbst teuer und Crisco wandte sich erneut einer billigeren Alternative zu: Sojabohnen-Öl. Die Sojabohne selbst nahm einen unwahrscheinlichen Weg in die amerikanische Küche. Ursprünglich aus Asien stammend, wurden Sojabohnen 1765 in Nordamerika eingeführt. In China waren sie schon seit 7000 v. Chr. domestiziert worden. Sojabohnen bestehen aus etwa 18% Öl und 38% Protein, was sie zu idealem Futter für Vieh oder ideal für industrielle Zwecke (Farbe, Schmiermittel für Maschinen und Triebwerke) macht.

Da Amerikaner vor dem Zweiten Weltkrieg fast kein Tofu aßen, schafften es wenige oder gar keine Sojabohnen in die amerikanische Ernährung. Dinge begannen sich während der Großen Depression zu ändern, als große Gebiete der Vereinigten Staaten von starker Trockenheit betroffen waren - der "Dust Bowl"-Dürre. Sojabohnen konnten aufgrund ihrer Fähigkeit, Stickstoff zu binden, dabei helfen, den Erdboden zu regenerieren. Es stellte sich heraus, dass die Großen Amerikanischen Ebenen für den Anbau von Sojabohnen ideal waren - so wurden diese schnell zur zweit-lukrativsten Nutzpflanze, gleich hinter Mais.
sojabohnen produktion usa
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Währenddessen wurde 1924 die Amerikanische Herz-Vereinigung aufgebaut. Sie war nicht der gewaltige Koloss, der sie heute ist, sondern nur eine Ansammlung von Herzspezialisten, die gelegentlich zusammenkamen, um berufliche Angelegenheiten zu besprechen. 1948 wurde diese schläfrige Gruppe von Kardiologen durch eine Spende von 1.5 Millionen Dollar von Proctor & Gamble transformiert (den Herstellern des gehärteten, transfettreichen Crisco - juhu!). Der Krieg, tierische Fette durch pflanzliche Öle zu ersetzen, war im Gange. Der faustische Pakt war besiegelt - die Gesundheit einer Nation für irgendeinen schnöden Mammon in $$$.

In den 1960ern und 1970 wurden, unter Wortführung von Ancel Keys, gesättigte Fette zum neuen Bösewicht in der Ernährung erklärt - der Typus, der häufiger in tierischen Nahrungsmitteln wie Fleisch und Milch zu finden ist. Die Amerikanische Herz-Vereinigung (AHV) schrieb 1961 die ersten offiziellen Empfehlungen der Welt, wobei sie empfahl, dass wir "den Konsum von totalem Fett, gesättigtem Fett und Cholesterol verringern. Steigern Sie den Konsum von mehrfach ungesättigtem Fett". In anderen Worten: Vermeiden Sie tierisches Fett und essen Sie "herzgesunde" pflanzliche Öle, reich an mehrfach ungesättigten Fetten wie Crisco. Dieser Ratschlag wurde 1977 in die einflussreichen Ernährungsrichtlinien für Amerikaner übernommen.

Die Amerikanische Herz-Vereinigung legte ihr Gewicht von nun beachtlich marktbewegendem Einfluss in die Waagschale, um sicherzustellen, dass Amerika weniger Fett aß - und weniger gesättigtes Fett. Das Center for Science in the Public Interest (CSPI) beispielsweise erklärte die Umstellung von Rindertalg und anderen gesättigten Fetten auf transfettreiche teilweise gehärtete Öle als "einen großen Segen für die Arterien von Amerikanern". Essen Sie keine Butter, sagten sie. Ersetzen Sie diese stattdessen mit dem teilgehärteten pflanzlichen Öl (man lese: Transfette), das als Margarine bekannt ist. Dieser Becher genießbarer Plastik sei viel gesünder als die Butter, die von Menschen in den letzten 3000 Jahren konsumiert worden war, sagten sie. Selbst noch 1990 weigerte sich das CPSI, die Gefahren von Transfetten anzuerkennen, indem es die berühmte Quintessenz verfasste: "Trans, shmans. Sie sollen weniger Fett essen."

konsum fettsäuren
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1994 erzeugte das CSPI Angst in den Herzen von Kinogängern mit einer glänzenden Angst-Kampagne. Film-Popcorn platzte zu dieser Zeit in Kokosnussöl auf, bei dem es sich größtenteils um gesättigtes Fett handelte. Das CSPI erklärte, eine mittelgroße Tüte Popcorn habe mehr "arterien-verstopfendes Fett als ein Frühstück mit Schinken und Ei, ein Big Mac und Pommes zum Mittag sowie ein Steak-Abendessen mit all den Garnituren - zusammen!" Verkäufe von Film-Popcorn fielen nach unten und Kinos beeilten sich, ihr Kokosöl mit teilweise gehärteten pflanzlichen Ölen zu ersetzen. Ja, Transfetten. Davor hatte der Krieg, die amerikanische Öffentlichkeit vom Rindertalg, der Geheimzutat von McDonalds Pommes, zu befreien, zu einer Umstellung auf - Sie haben's erraten - teilgehärtete pflanzliche Öle geführt.

Doch die Geschichte war noch nicht vorbei. In den 1990ern wurden diese Transfette, die laut der Amerikanischen Herz-Vereinigung und dem CSPI angeblich so gesund für uns sein sollten, als große Risikofaktoren für Herzkrankheiten angeprangert. Neue Studien legten nun nahe, dass Transfette das Risiko für Herzkrankheiten für jeden Anstieg von 2% an Transfett-Kalorien mehr als verdoppelten. Einigen Schätzungen zufolge waren Transfette für 100.000 Todesfälle verantwortlich. Genau die "herzgesunden" Nahrungsmittel, welche die AHV uns zu essen empfahl, brachten uns tatsächlich Herzanfälle. Die Ironie. Die Ironie. Im November 2013 entfernte die US-Lebens- und Arzneimittelbehörde teilweise gehärtete Öle von der Liste der menschlichen Nahrungsmittel "Allgemein als sicher eingestuft". Ja, die AHV hat uns jahrzehntelang gesagt, dass wir Gift essen sollen.

Industrielle Samenöle wie Baumwollsamen sind reich an Omega-6 - Fett-Linolsäuren. Linolsäure wird als das Mutter-Omega-6-Fett bezeichnet, da andere Omega-6-Fette wie Gamma-Linolsäure (GLS) und Arachidonsäure daraus gebildet werde. Zu Zeiten der Evolution hätte die Aufnahme von Linolsäure nur aus Vollwertkost wie Eiern, Nüssen und Samen kommen können, während isolierte Omega-6-Konsumierung industrieller Samenöle gleich Null gewesen wäre. Crisco jedoch führte eine isolierte und verunreinigte Form von Linolsäure in unsere Ernährung ein. Daher hat die Aufnahme von Linolsäure drastisch zugenommen und das aus einer Quelle, welche von Menschen nie zuvor konsumiert worden war. Diese Omega-6-Samenöle sind nun in fast allen industriell erzeugten Nahrungsmitteln zu finden sowie in den Gangreihen von Lebensmittelmärkten, in Plastikflaschen zum Kochen. Leider sind diese Öle sehr anfällig gegenüber Hitze, Licht und Luft und sind im Herstellungsprozess allen drei davon ausgesetzt. Während also Linolsäure aus Vollwertkost wie Nüssen und Samen tatsächlich gut sein kann, ist die verdorbene Linolsäure in industriellen Samenölen das nicht.

ungesättigte fettsäuren
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Also, wie wissen wir, welche Fette gesund und welche ungesund sind? Nicht überraschenderweise sind natürliche Fette - ob sie von Tieren (Fleisch, Milch) oder pflanzlichen Quellen (Olive, Avocado, Nuss) kommen - im Allgemeinen gesund. Stark verarbeitete industrielle Samenöle sind tendenziell ungesund. Stellen wir uns den Fakten - wir nahmen pflanzliche Öle zu uns, weil sie BILLIG, nicht weil sie gesund waren.

Für weitere Informationen können Sie in dem fantastischen Buch von Nina Teicholz, The Big Fat Surprise, nachschauen.

Dr. Jason Fund - Nephrologe. Spezielles Interesse an der Heilung von Typ 2 - Diabetes und intermittierendem Fasten. Gründer des Intensive Dietary Management Program [Intensives Ernährungsmanagement-Programm, AdÜ].