Holzhaus einer Inuit-Familie
© UnbekanntIn dem Holzhaus im Vordergrund lebt eine Inuit-Familie mit elf Kindern. Gerhard Trabert hat sie gemeinsam mit einem grönländischen Sozialhelfer während seines Grönland-Aufenthaltes besucht.

GRÖNLAND-REISE Mainzer Arzt Gerhard Trabert informiert sich über Situation und Versorgung der Inuit / Hohe Selbstmordrate und Alkoholmissbrauch

Es ist diesmal keine große Naturkatastrophe, die Dr. Gerhard Trabert in ein fremdes Land geführt hat. Kein Erdbeben, keine Flutwelle, keine Dürreperiode mit Hungersnot. Diesmal geht es um Selbstmord, Alkoholmissbrauch, Armut und Hoffnungslosigkeit am nördlichen Polarkreis. Der Mainzer Obdachlosenarzt, Vorsitzender des Vereins „Armut und Gesundheit“ und Professor für Sozialmedizin und -psychiatrie an der Hochschule Rhein Main in Wiesbaden, der die Katastrophengebiete dieser Welt aus zahlreichen humanitären Einsätzen kennt, war zwei Wochen lang in Grönland unterwegs.

Es ist ein Land, das nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht - und dessen Probleme, so Trabert, deshalb „vergessen“ werden. Der Allgemeinmediziner und Notarzt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit auch auf die Situation solcher vergessenen Flecken der Erde aufmerksam zu machen und Hilfsprojekte zu unterstützen. Nach den Cook-Inseln im Südpazifik im Jahr 2009 wählte der Mediziner im August dieses Jahres also Grönland aus, sein Anlaufpunkt war Tasiilaq, die größte Stadt im Osten der Insel.

„Grönland hat eine der höchsten Selbstmordraten der Welt, vor allem Jugendliche nehmen sich das Leben“, berichtet Trabert nach seiner Rückkehr von der größten Insel der Welt. Alkoholmissbrauch sowie eine hohe Rate von sexuell missbrauchten Mädchen zählen ebenso zu den massiven sozialen Problemen des Landes, das sich politisch selbst verwaltet, aber zum Königreich Dänemark gehört.

Die Ureinwohner Grönlands, die Inuit, machen den Großteil der Bevölkerung aus. „Die Situation der einheimischen Bevölkerung ist geprägt von immensen kulturellen Umwälzungen. Eine Inuit-Großelterngeneration, die als Kinder noch in Iglus und Erdbehausungen lebte und Robben und Eisbären jagte, ist jetzt mit Häusern, Autos, Handys und Fernsehen und einem Jagdverbot konfrontiert“, berichtet der Mediziner. Diese gesellschaftlichen Veränderungen, auch der damit einhergehende Zerfall der traditionellen Großfamilie, hätten vielen Inuit den Boden unter den Füßen weggezogen.

Auch die Quote der Analphabeten sei hoch, die Schulbildung ist schlecht, berichtet der Mainzer. Professionelle psychologische Hilfe erhalten die Menschen kaum. Viele Einwohner sind arm, laut Kinderhilfswerk Unicef leidet jedes sechste grönländische Kind an Unterernährung. „Zwar investiert der dänische Staat in soziale Projekte, aber ich hatte den Eindruck, dass es den Inuit grundsätzlich an Wertschätzung fehlt“, so Trabert. Das zeige sich schon daran, dass kaum ein Däne oder Fremder, der zum Beispiel im Tasiilaq lebe und arbeite, ostgrönländisch, die Sprache der Inuit, spreche.

Dennoch gebe es Menschen, die Hilfe organisieren. Wie Robert Peroni, ein Südtiroler, der vor 20 Jahren in Tasiilaq das „Red House“ gegründet hat, eine Art Kommunikationszentrum, das Arbeitsplätze im Tourismus schafft, der Haupteinnahmequelle des Landes. Peroni ist einer von zwei Ausländern in der Stadt, die ostgrönländisch sprechen. Jetzt möchte er eine Armenküche aufbauen. „Damit die hungernden und einsamen Menschen dort essen und miteinander reden können“, erklärt Trabert. Die Finanzierung sei allerdings noch ein Problem. „Ich denke, das ist ein Projekt, das man unterstützen sollte“, wirbt der Mediziner.