Polch/Region - Dieser Stoßseufzer, halb froh, halb angestrengt, zeigt die ganze Dimension, die das Unwetter am Freitag vergangener Woche für die Autobranche hat: „Obwohl wir uns über die vielen Aufträge freuen, wünscht man solch einen Sturm dem Unternehmen nur einmal“, sagt Nadine Gerardy, Marketingverantwortliche des Karosserie- und Lackierzentrums Gerardy in Polch. Warum? „Weil die ganze Organisation durcheinander gerät.“
Kaputtes Auto + Kfz-Mechaniker
© Dorothea MüthAuf diesem Dach ist keine Spannung mehr: Die Hagelbeulen zählt Silvio Fränkel vom Kfz-Dienstleister KHS erst gar nicht.

Der Handwerksbetrieb mit knapp 50 Angestellten hat einen Notfallplan und einen Krisenstab aufgestellt, um der Masse an Schadensfällen, die über seine Werkstätten abgewickelt werden, irgendwie Herr werden zu können. Rund 900 Autos stehen in der Warteschlange zur Reparatur - bisher.

Gerardy hat zwei sogenannte Lichttunnel aufgebaut, wo unter Neonröhren die von Hagel und Ästen verursachten Beulen, Kratzer und Sprünge gezählt werden können. Die beiden Versicherungsgruppen Innovation Group und HUK Coburg führen hier in ihrer Vertragswerkstatt Sammelbesichtigungen durch, die Kunden kommen auch von Rhein und Mosel. Für Werner Ittermann, der die Schadensaußenstelle der HUK in Koblenz leitet, hat dieser Sturm ungekannte Ausmaße: „Wir haben bereits 2500 Fälle aufgenommen, Hunderte liegen noch unbearbeitet auf dem Stapel“, erzählt er. Nach dem Pfingstunwetter 2004 habe es nur etwa ein Drittel so viele beschädigte Autos gegeben, meint er.

Auch die Dekra hat eine Interimsfiliale bei Gerardy in Polch aufgemacht - ihre Gutachter spezifizieren den Schaden von einer neutralen Warte aus. Dazu gehören nicht nur die notwendigen Reparaturen, sondern auch die Einschätzung, wie viel das Auto vorher wert war, und wie viel es jetzt noch wert ist. Zehn von 60 Dekra-Gutachtern widmen sich derzeit ausschließlich dem Unwetter, und trotzdem geht es nicht ohne Überstunden, sagt Sachgebietsleiter und Betriebsrat Thomas Feiden.

Zeitaufwand, Kosten und Termine für die Reparatur kalkuliert dann die Firma Gerardy, zurzeit bis nach Mitternacht. Sie hat in dieser Woche vier neue Mitarbeiter eingestellt, so dass jetzt acht Leute nur für die Sturmschäden zuständig sind. 45 Autos sollen sie pro Tag wieder auf Vordermann bringen. Zum Vergleich: „Normalerweise wickeln wir etwa 45 in der Woche ab“, sagt Nadine Gerardy.

Auch Vertragspartner KHS hat neue Leute engagiert. Sie massieren die Blechbeulen weg, wo es geht, klopfen sie von innen aus oder ziehen sie von außen mit Klebstoff hoch. Das Chemieunternehmen PPG hat eine mobile Koloristikkabine bei Gerardy eingerichtet, um den Arbeitsablauf zu beschleunigen: Sabine Haast stellt hier das Rezept für den richtigen Farbton zusammen, damit die Lackierer sofort loslegen können, wenn das Auto zur Reparatur kommt.
Doch auf einen Termin dafür müssen die Kunden unter Umständen lange, teils bis Jahresende, warten. Die meisten haben Verständnis dafür, so wie der Mayener Bernd Rieden, dem es ein Auto und einen Wohnwagen verhagelt hat: „Ich ärgere mich nicht, denn man kann sowieso nichts machen“, sagt er. Vor Ort stehen zum Trost der Kunden noch Biertische mit Keksen und Cola bereit. Der Großteil der Autos ist reparaturfähig, resümiert Dekra-Mann Feiden. Doch bei rund 40 Prozent liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor: Die Reparaturkosten betragen 50 Prozent oder mehr des Wagenwerts. Um die 3300 Euro kostet eine Reparatur im Schnitt, erzählt Gerardy - eine Ziffer, die die Versicherungen wohl ins Schwitzen bringt.