Eine Demonstration auf dem Tahrir-Platz in Kairo ist eskaliert. Hunderte zogen zur israelischen Botschaft und drangen in das Gebäude vor. Israels Botschafter floh.
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© Mohamed Abd El Ghany/ ReutersDemonstranten reißen mit einer Betonstange die Schutzmauer der israelischen Botschaft in Kairo nieder.
In Ägpytens Hauptstadt Kairo haben Demonstranten in der Nacht zum Samstag die israelische Botschaft angegriffen. Laut der ägyptischen Nachrichtenagentur Mensa drangen die Demonstranten in das 21-geschossige Gebäude ein, in dem die Vertretung untergebracht ist und stürmten das Archiv der Botschaft. Tausende Botschaftsdokumente flogen aus den Fenstern. Ein Demonstrant riss die Fahne Israels von dem Gebäude.

Der israelische Botschafter Itzhak Levanon verließ nach Berichten al-Dschasiras noch in der Nacht das Land und flog nach Tel Aviv. Auch alle Mitarbeiter der Botschaft und ihre Familienmitglieder wurden von einer Maschine der israelischen Luftwaffe ausgeflogen, insgesamt 80 Menschen.

Sechs weitere Israelis, Sicherheitsleute der Botschaft, mussten von einer ägyptischen Sondereinheit aus dem Gebäude gerettet werden, da sie dort festsaßen und es nicht verlassen konnten. Es habe ernsthaft Sorge um deren Leben bestanden, sagte ein israelischer Regierungsvertreter am Samstag. Stunden nach dem ersten Flug wurden sie mit einer zweiten Maschine ausgeflogen. Das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu teilte mit, sie seien inzwischen in Israel eingetroffen. Ihnen gehe es gut.

Vor der Botschaft hatte es in den vergangenen Wochen mehrfach Proteste gegeben. Hintergrund ist der Tod von fünf ägyptischen Grenzpolizisten an der ägyptisch-israelischen Grenze Mitte August. Sie waren getötet worden, als die israelische Armee gegen mutmaßliche Extremisten vorging. Zuvor hatte es eine Serie von Angriffen auf Siedlungen im Süden Israels gegeben. Der Tod der ägyptischen Polizisten löste eine schwere diplomatische Krise zwischen Israel und Ägypten aus.

Am Freitagnachmittag dann waren Demonstranten vom Tahrir-Platz im Zentrum zur Botschaft gezogen. Mit Hämmern und Metallstangen schlugen sie stundenlang auf eine etwa zweieinhalb Meter hohe Schutzmauer aus Beton -Elementen ein, die erst vor kurzem vor der Botschaft errichtet worden war. Die ägyptischen Sicherheitskräfte griffen zunächst nicht ein.
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© REUTERS/Amr Abdallah DalshEin ägyptischer Demonstrant hält ein Dokument in die Kamera, das andere aus der israelischen Botschaft geworfen haben
Am Abend dann griffen die Demonstranten auch die Polizei an und setzten mehrere Polizeifahrzeuge in Brand, bewarfen Polizisten mit Steinen und stürmten eine nahe gelegene Polizeistation. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein. Laut Staatsfernsehen wurden 448 Menschen verletzt, der Nachrichtensender al-Dschasira berichtete mit Berufung auf ägyptische Behörden von 520 verletzten Personen. Ein Mensch starb an Herzversagen.

Obama forderte Ägypten zum Schutz der Botschaft auf

Am Samstagmorgen hatten ägyptische Polizisten die Botschaft abgeriegelt.

Ägyptens Innenminister Mansur Essawi rief den Alarmzustand aus rief am Samstag sein Kabinett für eine Krisensitzung zusammen. Noch in der Nacht wurden hunderte ägyptische Soldaten nahe der Botschaft zusammengezogen.

Zurzeit befindet sich nur noch der Stellvertreter des israelischen Botschafters in Kairo. Er solle in der Hauptstadt verbleiben, um Kontakt zur ägyptischen Regierung zu halten, sagte ein israelischer Regierungsbeamter. Einen Termin, wann Botschafter Levanon zurückkehren werde, gebe es nicht. In Israel denke man noch über eine politische Antwort auf den Vorfall nach, berichtete der Sender al-Dschasira unter Berufung auf ungenannte Personen in der israelischen Regierung. Für die Beziehungen zu Ägypten sei das ein schwerer Schlag und ein "ernster Bruch des diplomatisch akzeptierten Verhaltens".

US-Präsident Barack Obama forderte die ägyptische Regierung auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Sicherheit der Botschaft zu gewährleisten. In einem Telefonat mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte Obama, er sei "sehr besorgt" über den Angriff.

ZEIT ONLINE, AFP, dpa, Reuters