Er wettert gegen unverantwortliche Euro-Kritiker genauso wie gegen irrationale Finanzmärkte: Bei einem seiner letzten großen Auftritte als Deutsche-Bank-Chef holt Josef Ackermann zum Rundumschlag aus - und bereitet sich schon mal auf seine künftige Rolle als Elder Statesman vor.
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Manchmal kann Josef Ackermann richtig leidenschaftlich sein - zumindest für seine Verhältnisse. Zwar liest der Deutsche-Bank-Chef seine Rede am Montag wie fast immer Wort für Wort ab. Doch als es um den Euro geht, spürt der Zuhörer des Branchentreffens in Frankfurt am Main, dass der gebürtige Schweizer wohl wirklich meint, was er da sagt.

Es sei eine "gefährliche Illusion, zu glauben, ein Land könne sich besserstellen, wenn es sich an die EU-Ebene abgegebene Souveränität wieder zurückholt", warnt Ackermann. Der Nutzen des europäischen Integrationsprozesses gehe weit über wirtschaftliche Aspekte hinaus.

Die Worte sind vor allem an die Euro-Skeptiker in den hinteren Reihen der deutschen Regierungskoalition gerichtet , die den Rettungsschirm am liebsten wieder zuklappen wollen. Wer möchte, kann es aber auch als Spitze in Richtung Bundeskanzlerin begreifen, die bei der Verteidigung der gemeinsamen Währung gegenüber den internen Kritikern und den Wählern häufig die nötige Verve vermissen lässt.

"Wir müssen den Bürgern klar sagen, dass alle europäischen Staaten ohne die Europäische Union in einigen Jahren politisch wie wirtschaftlich nur noch Randfiguren in der Weltpolitik wären", fordert Ackermann. Und weiter: "Ich vermisse in der öffentlichen Diskussion bisweilen die größere Perspektive, die sich nicht nur auf die Aufrechnung von Hilfspaketen mit eingesparten Geldwechselgebühren beschränkt."

Kein Freund des Klein-Kleins

So deutliche Sätze wünscht man sich bisweilen von der Kanzlerin. Ackermann liefert sie. Er spricht vor 200 Bankern auf einer Branchentagung des "Handelsblatts". Aber sein Auftritt ist kein Fachvortrag wie bei den meisten anderen Rednern, sondern ein verbaler Rundumschlag. Ob Euro-Krise, wackelige Konjunktur oder wildgewordene Finanzmärkte: Ackermann teilt immer gerade so stark aus, dass mancher sich ärgert, aber keiner verletzt wird.

Der Auftritt könnte ein Vorgeschmack auf die Zukunft sein. Noch zwei, drei große Reden, dann ist Schluss für den Vorstandschef Ackermann. Im Mai nächsten Jahres soll er an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln. Dann wird er vermutlich noch ein paar Fäden im Hintergrund ziehen und ansonsten den alternden Staatsmann geben, eine Art Helmut Schmidt der Finanzbranche.

Diese Rolle hat dem Schweizer schon immer besser gefallen als das Klein-Klein des täglichen Bankgeschäfts. Während er früher auf großer Bühne allerdings eher stur die Interessen der Banken verteidigte, scheint er in seiner sich anbahnenden neuen Rolle etwas mehr Freude an kritischen Querschüssen zu finden.

Besonders deutlich wird das, als er über die Unzulänglichkeiten der Finanzmärkte spricht, die die jüngsten Börsenabstürze begünstigt haben. Das System sei teilweise selbstreferenziell, kritisiert Ackermann. Es begünstige Herdenverhalten, weil sich alle immer stärker nur daran orientierten, was die anderen machen.

"Ich werde zeigen, dass ich loslassen kann"

"Es ist unüberhörbar", sagt Ackerman: "Die Fragen nach der Effizienz der Finanzmärkte und nach der Sinnhaftigkeit manch moderner Finanzprodukte werden immer lauter." Die Verunsicherung sei "bis in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft" vorgedrungen und habe selbst die eigene Branche erreicht. "Wir als Finanzindustrie haben noch keine wirklich überzeugenden Antworten auf diese Fragen anzubieten." Die Bankenbranche müsse ihre "gesamte Tätigkeit" daraufhin prüfen, "ob wir damit unserer genuinen Aufgabe als Diener der realen Wirtschaft gerecht werden". So viel Selbstkritik eines der wichtigsten Branchenvertreter war selten.

Natürlich ist Ackermann auch weiterhin Lobbyist für seinen Arbeitgeber. Die Vorschläge zur Lösung der Probleme klingen denn auch ziemlich harmlos: Mehr Selbstkontrolle und Verantwortung brauche die Branche - auch damit die Politik ihr bloß nicht mit gesetzlichen Regelungen zuvorkomme.

Überhaupt gehen Ackermann die staatlichen Eingriffe in die Finanzbranche derzeit viel zu weit. Aufseher und Regulierer schrieben den Banken immer detaillierter vor, was sie tun sollten. Neben der Schuldenkrise und der unsicheren konjunkturellen Lage sei dies auch ein Grund für die eher mauen Zukunftsaussichten der Branche.

Solches Klingeln gehört zum Geschäft eines Vorstandsvorsitzenden. Als Aufsichtsratschef wird er bald weniger stark in die Hausdisziplin eingebunden sein. Zumal, wenn mit den beiden bisherigen Vorständen Jürgen Fitschen und Anshu Jain zwei Männer an der Spitze der Bank stehen werden , die Ackermann dort eigentlich nicht haben wollte.

Bereits nach der Jahrespressekonferenz, die traditionell Anfang Februar stattfindet, wolle er sich zurückziehen und seinen beiden Nachfolgern das Feld überlassen, sagt Ackermann: "Ich werde zeigen, dass ich loslassen kann."