Nordeuropa bekommt seltenen Besuch aus den Tropen: Die Wetterfront des einstigen Hurrikans "Katia" zieht über Großbritannien - und Deutschland. Meteorologen warnen vor Unwettern, auf der Rheinstrecke entgleiste ein IC. Zwei Zufälle haben den Wirbelsturm über den Atlantik getrieben.
Tosende Wellen
© ReutersTosende Wellen bei Sussex (Archivbild): Barriere aus Hochdruckgebieten überwinden

Hamburg - Es passiert nicht oft, dass ein Hurrikan Kurs Richtung Europa nimmt. Doch die Wetterfront des Wirbelsturms "Katia" wird am Montag Großbritannien erreichen; auch Deutschland bekommt den Sturm zu spüren.

Zwar hat sich "Katia" abgeschwächt, Meteorologen stufen den Sturm nicht mehr als Hurrikan ein. Gleichwohl werde er als kräftiges Tiefdruckgebiet mit orkanartigen Böen von mehr als 110 Kilometern pro Stunde, also mit Windstärke elf, am Montag über Schottland preschen und dann weiter nach Skandinavien ziehen, warnt der britische Wetterdienst Metoffice. Platzregen werde vom Himmel brechen. Ausläufer von "Katia" streifen auch Deutschland, hierzulande werde der Sturm ab Montag für windiges Regenwetter sorgen, prognostiziert der Deutsche Wetterdienst DWD. Schon am Sonntag zogen die ersten Vorboten über Deutschland, es kam teilweise zu starken Unwettern mit erheblichen Regenfällen.

Auf der linksrheinischen Bahnstrecke bei St. Goar entgleiste am Sonntagnachmittag ein IC. Erste Hinweise deuteten auf ein Unwetter als Unfallursache, sagte ein Polizeisprecher. Offenbar hatte starker Regen große Mengen an Geröll in das Gleisbett gespült Der Lokführer wurde verletzt, ebenso fünf Reisende.

Hurrikane ziehen ihre Energie aus warmem Wasser; normalerweise bleiben sie deshalb in den Tropen. Schon Wirbelsturm "Irene" war eine Rarität, weil sich der Sturm die Ostküste der USA bis nach Kanada hinauf schlängelte. Die Überreste von "Katia" schaffen es nun sogar bis nach Europa. So weit drang zuletzt Hurrikan "Bill" 2009 vor; und zuvor auch "Gordon" 2006, der erheblichen Schaden in Großbritannien anrichtete.

Höhensturm als Antreiber

Vor allem zwei Zufälle müssen zusammenkommen, damit ein Wirbel so weit über dem kühlen Atlantik vorankommen kann: Zum einen muss ein kräftiger Höhensturm den Hurrikan erwischen und Richtung Europa drücken. Sogenannte Strahlströme schießen mit 500 Kilometer pro Stunde in mehr als acht Kilometer Höhe umher; sie gleichen Unterschiede im Luftdruck aus und steuern Hoch- und Tiefdruckgebiete.

Zum anderen muss ein Wirbelsturm die Barriere aus Hochdruckgebieten überwinden, die normalerweise in den Subtropen liegt und die Tropen von den gemäßigten Klimazonen trennt. "Katia" hat beides geschafft. Zudem hatte der Hurrikan vorher genügend Energie in Form von Wasserdampf aufgesogen, so dass er lange bestehen blieb.

Derzeit wandelt sich der Wirbelsturm zu einem normalen Tiefdruckgebiet - ohne dabei viel an Sturmstärke einzubüßen: Während Hurrikane kreisrund sind und von aufsteigender Warmluft angetrieben werden, bilden Tiefdruckgebiete eine asymmetrische Form - sie werden vom Temperaturgegensatz zu den Polen angefacht. Hurrikane blasen zwar heftiger, die Sturmfront eines Tiefdruckgebiets kann jedoch ein größeres Gebiet erfassen. Meteorologen bezeichnen den Tiefdruckwirbel nun als "Ex-Katia".

Hurrikane im Mittelmeer?

Ob im Zuge des Klimawandels vermehrt Hurrikane Kurs Richtung Europa nehmen, ist unklar - denn Zufälle ebnen den Weg. Gleichwohl haben Computersimulationen gezeigt, dass im Mittelmeer in einigen Jahrzehnten Hurrikane aufziehen könnten - sofern sich das Gewässer im Sommer vollständig auf mehr als 30 Grad Celsius erhitzte. Solche Simulationen sind allerdings schwer zu überprüfen.

Einstweilen jedoch stehen nun Großbritannien stürmische Tage bevor; schon am Montag werde "Ex-Katia" die nördlichen Regionen Schottlands, Irlands, Englands und Wales treffen. Stärke und der exakte Pfad des Sturmtiefs seien aber noch nicht genau vorhersehbar, teilt das Metoffice mit. Starke Winde könnten Bäume und Telefonmasten umstürzen; mit Hochwasser müsse gerechnet werden, warnen die Meteorologen.

Deutschland müsse am Montagmittag mit einem Wetterumschwung rechnen, erklärt der Deutsche Wetterdienst: Kühler Wind werde das Eintreffen der Hurrikanluft ankündigen. Es müsse mit kräftigen Gewittern gerechnet werden.