In der ganz kruden Version der Evolutionspsychologie sind Männer wenig daran interessiert, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern: Ist ein Baby erstmal auf dem Weg, so die Theorie, treibe ein innerer Trieb sie dazu an, nach weiteren Verbreitungsmöglichkeiten für ihre Gene zu suchen. Dem widerspricht jetzt eine Studie, die sogar eine biologische Grundlage für echte Vatergefühle gefunden haben will: Das Forscherteam um den Anthropologen Lee Gettler von der Northwestern University in Evanston berichtet im Fachmagazin PNAS (online) über einen direkten Nachweis, dass der Spiegel des Sexualhormons Testosteron sinkt, wenn Männer Väter werden.

Völlig unerwartet ist diese Nachricht allerdings nicht. So kennt man entsprechende Effekte aus dem Tierreich, und bereits 2002 berichteten Harvard-Forscher, dass Väter unterdurchschnittliche Testosteron-Werte aufweisen. Ungeklärt blieb damals jedoch, ob der niedrigere Hormonspiegel tatsächlich eine Folge der Vaterschaft ist. Schließlich könnte es auch so sein, dass Männer mit niedrigem Testosteron-Pegel leichter eine Partnerin finden und statistisch häufiger Nachwuchs bekommen.

Mit der neuen Studie haben die Forscher nun Ursache und Wirkung des väterlichen Testosterons geklärt, indem sie bei 624 jungen Männern auf den Philippinen - vor und nach der Geburt eines Kindes - über fünf Jahre lang immer wieder Speichelproben nahmen. Es ergab sich, dass die Männer mit hohen Testosteron-Werten sogar mit größerer Wahrscheinlichkeit Vater werden. Aber: Nach der Geburt nimmt der Hormonspiegel deutlich ab - um durchschnittlich 26 bis 34 Prozent je nach Tageszeit der Messung.

'Die Vaterschaft und die Bedürfnisse eines neugeborenen Babys verlangen viele emotionale, psychische und körperliche Anpassungen', sagt Gettler. 'Unsere Studie zeigt, dass die männliche Biologie sich deutlich ändern kann, damit sie diesen Anforderungen gerecht werden kann.' Dabei zeigten sich die stärksten Testosteron-Senkungen bei Männern, die sich täglich drei und mehr Stunden um den Nachwuchs kümmern. Dafür gebe es auch eine Belohnung. Die niedrigen Hormonwerte könnten ein Grund sein, wieso Singles eher krank werden als Familienväter, spekulieren die Forscher: Sie schützen womöglich vor einigen chronischen Altersleiden.

cwb