Arzneimittel sind in Deutschland immer noch zu teuer, so das Ergebnis eines Reports. Ihm zufolge könnten Milliarden eingespart werden - wenn die Preise an die anderer europäischer Ländern angeglichen und konsequent die günstigsten Präparate verordnet würden.
Medikamente
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Verglichen mit anderen europäischen Ländern zahlen die Deutschen noch immer zu viel für Medikamente. Zu diesem Ergebnis kommt der Arzneiverordnungsreport 2011. Zwar ist der Anstieg der Arzneimittelausgaben verglichen mit den Vorjahren erstmals moderater ausgefallen und liegt unter dem Anstieg der Arzt- und Krankenhauskosten - doch die Pharmafirmen kassieren in Deutschland noch immer kräftig ab. Dem Report zufolge ließen sich Milliarden einsparen, ohne dass die Patienten schlechter versorgt würden.

Die Ausgaben für Arzneimittel steigen seit Jahren und liegen mittlerweile bei rund 32 Milliarden Euro, wie Pharmakologe Ulrich Schwabe, einer der beiden Herausgeber des Reportes, berichtet. Kosten für Impfstoffe sind nicht mit einberechnet. Doch erste positive Signale sind zu erkennen: 2010 habe sich der Anstieg der Arzneimittelausgaben deutlich abgeschwächt - auf ein Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: 2009 waren die Ausgaben noch um 4,8 Prozent in die Höhe gegangen.

Wenige Kostentreiber

Der moderate Anstieg sei auf Arznei-Rabattverträge mit Herstellern sowie auf gesetzliche Sparmaßnahmen zurückzuführen, heißt es in den Report. So haben allein die Rabattverträge 2010 Einsparungen von rund 1,3 Milliarden Euro gebracht.

Der seit 1985 jährlich erscheinende Arzneiverordnungsreport basiert auf fast 800 Millionen Verordnungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Neben den Kosten für Arzneimittel werden in der Publikation auch Verordnungstrends beleuchtet und der therapeutische Nutzen von Medikamenten bewertet.

Wie in den vergangenen Jahren sind auch 2010 sehr wenige teure und patentgeschützte Medikamente die Kostentreiber - darunter Blutdrucksenker, Präparate gegen Krebs, Asthma, Diabetes und Schmerzmittel. Hier liegt den Herausgebern des Reports zufolge auch ein großes Einsparpotenzial. Seit 1993 seien die Umsätze der Patentarzneimittel von 1,7 Milliarden auf 14,2 Milliarden gestiegen, berichtet Schwabe.

Trotz jahrelanger Mahnungen würden die Ärzte nach wie vor massiv teure Arzneimittel verordnen, kritisiert Dieter Paffrath, stellvertretender Vorsitzender der AOK Nordwest und Mitherausgeber des Reports. Dabei seien günstigere Varianten ohne Nachteile für die Patienten auf dem Markt.

Auch Generika teurer

Wie im vergangenen Jahr verglichen die Herausgeber auch für den aktuellen Report die Arzneimittelpreise in Deutschland mit denen in einem anderen europäischen Land, diesmal mit Großbritannien. Zeigte der Vergleich mit Schweden 2010 schon deutlich, dass Arzneimittel hierzulande überteuert sind, unterstreicht der aktuelle Report dieses Ergebnis noch einmal. So sind die 50 umsatzstärksten Patentarzneimittel in Deutschland im Schnitt 65 Prozent teurer als in Großbritannien. Würden die deutschen Preise an die britischen angeglichen ließen sich allein so 2,3 Milliarden Euro einsparen.

Ähnlich sieht es bei Generika aus. Dabei handelt es sich um Medikamente, deren Wirkstoffe nicht mehr dem Patentschutz unterliegen und die daher auch deutlich günstiger als Patentarzneimittel sind. Zwar sinken in diesem Bereich die Kosten seit Jahren, doch die Pharmaunternehmen verdienen mit diesen Präparaten hierzulande immer noch deutlich mehr als bei unseren europäischen Nachbarn. Wie dramatisch der Preisunterschied ist, zeigt allein der Vergleich für die umsatzstärksten Präparate: Im Durchschnitt sind diese laut Arzneiverordnungsreport in Deutschland 90 Prozent teurer als in Großbritannien.

Einsparpotenzial: 8 Milliarden

Insgesamt geht der Report von einem Einsparpotenzial der GKV bei den Arzneimittelausgaben in Höhe von 8,1 Milliarden aus. Das mache fast ein Drittel des Gesamtumsatzes für Arzneimittel aus, sagt Herausgeber Schwabe. Alleine 4,7 Milliarden lassen sich dem Pharmakologen zufolge einsparen, wenn immer das günstigste Medikament verordnet wird.

Doch warum sind Arzneimittel in Deutschland eigentlich so teuer? Unter anderem, da es bis vor Kurzem noch keinerlei Preiskontrollen vor der Markteinführung gab. Die Pharmafirmen konnten damit ihre Preise frei diktieren. Dies habe sich durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) seit Anfang dieses Jahres geändert, heißt es in dem Report. Demnach sind die Unternehmen nun gezwungen, den Zusatznutzen ihrer Mittel gegenüber herkömmlichen Präparaten nachzuweisen - erst dann zahlt die Kasse dafür auch einen höheren Preis.

Gibt es keinen Zusatznutzen, wird das Medikament unter gültige Obergrenzen für die Bezahlung durch die Kassen einsortiert. "Das AMNOG bietet alle Chancen, das Preismonopol der Pharmaindustrie zu brechen", sagt der designierte AOK-Verbandschef Jürgen Graalmann. Bei Generika gebe es gegen hohe Preise aber weiter keine vergleichbare Handhabe, bemängelt Schwabe. Zudem bezweifeln die Experten, dass das AMNOG schnell bei den vielen patentgeschützten Mittel greift, die schon länger zu hohen Preisen auf dem Markt sind.

mit Agenturen