Zwei Drittel Sloweniens sind von den schlimmsten Überschwemmungen und Erdrutschen seit mehr als drei Jahrzehnten betroffen. In Österreich drohen gefährliche Hangrutsche.
A massive clean-up operation is underway in Slovenia and Austria following the floods
© Gregor Ravnjak
In Slowenien sind die Katastrophenschützer nach den schlimmsten Überschwemmungen und Erdrutschen seit mehr als drei Jahrzehnten weiter mit der Rettung und Versorgung von Menschen beschäftigt.

Der slowenische Ministerpräsident Robert Golob sprach am Samstag von der "schlimmsten Naturkatastrophe" der letzten 30 Jahre in Slowenien, zwei Drittel das Landes seien betroffen.

Mehrere Orte waren wegen der Fluten und Geröllmassen von der Umgebung abgeschnitten. Sie wurden teils per Hubschrauber mit Trinkwasser und Lebensmitteln versorgt, teils versuchten Soldaten zu Fuß in diese Orte zu gelangen.

Mindestens vier Menschen dürften die Unwetter das Leben gekostet haben. Zwei der Todesopfer sind niederländische Bergsteiger, die möglicherweise tödliche Blitzschläge beim Wandern erlitten hatten. Fünf weitere Niederländer werden in Slowenien vermisst, hieß es aus dem Außenministerium in Den Haag.

Aufräumarbeiten in vollem Gange

Die Aufräumarbeiten waren am Sonntag nach der Stabilisierung der Wetterlage in vollem Gange. Das Ausmaß der Schäden allein in Slowenien übersteige Schätzungen zufolge eine halbe Milliarde Euro, erklärte der slowenische Ministerpräsident Golob.

"Es ist herzzerreißend, die Verwüstung mitzuverfolgen, die die kolossalen Überschwemmungen in Slowenien angerichtet haben", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Onlinedienst X. "Die EU steht an der Seite des slowenischen Volkes. Wir werden bei Bedarf Unterstützung mobilisieren."

Evakuierungen nach Bruch eines Staudamms

Besonders kritisch war die Lage in der Region Koroska in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Überschwemmungsgebieten in Österreich.
Flood damage in Slovenia, 04 August 2023.
© Government of Slovenia
Im Osten des Landes brach ein Damm zum Schutz vor Hochwasser am Fluss Mur. Rund 500 Menschen mussten eilig aus dem Dorf Dolnja Bistrica in Sicherheit gebracht werden, berichtete das staatliche Fernsehen RTV Slovenija. Auch in Österreich und Kroatien werden weitere Überschwemmungen befürchtet.

Weitere neun Ortschaften seien wegen des Dammbruchs an der Mur gefährdet, sagte der Kommandant des Katastrophenschutzes, Srecko Sestan. Man versuche nun, per Hubschrauber das mehrere Meter breite Loch am Damm mit Betonblöcken abzudichten.

Nach Angaben von Hydrologen steigt der Pegel der Mur an ihrem österreichischen Oberlauf bei Graz. Unterdessen dauerten in anderen Landesteilen Sloweniens die Rettungs- und Aufräumarbeiten an. Wegen eines befürchteten Erdrutschs in Crna na Koroskem nahe der österreichischen Grenze würden Bewohner in mehreren Orten am Fluss Meza vorsichtshalber in Sicherheit gebracht, berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA am Samstagabend.

Mehrere Dörfer waren seit Freitag von der Außenwelt abgeschnitten. Die Bewohner wurden teils per Hubschrauber mit Trinkwasser und Lebensmitteln versorgt, teils versuchten Soldaten, zu Fuß in diese Orte zu gelangen. Nach drei Funden am Freitag war am Samstag die Leiche eines Mannes am Ufer des Flusses Save in der Hauptstadt Ljubljana entdeckt worden, berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA unter Berufung auf die Polizei. Nun werde geprüft, ob dieser Todesfall mit dem Unwetter zusammenhängt.
Es sind die wahrscheinlich größten Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des unabhängigen Sloweniens.

Robert Golob, Ministerpräsident Sloweniens
Ministerpräsident Robert Golob zufolge habe das Adria-Land "die wahrscheinlich größten Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des (seit 1991) unabhängigen Sloweniens" erlitten. Der Gesamtschaden werde voraussichtlich 500 Millionen Euro übersteigen, schätzte er. Beschädigt sei vor allem die Straßen- und Energieinfrastruktur sowie Hunderte Wohngebäude.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte Slowenien Hilfe zu. Die Schäden in dem Adria-Land seien "herzzerreißend", twitterte sie. Darüber wollte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, am Samstag mit der Regierung in Ljubljana beraten.

In Dravograd nahe der Grenze zu Österreich mussten nach einem Erdrutsch am Samstag 110 Menschen, darunter 30 Touristen, in Sicherheit gebracht werden. Dort drohte ein weiterer Erdrutsch. Der Ort liegt am Zusammenfluss der drei anschwellenden Flüsse Drau, Meze und Mislinje. Bürgermeister Anton Preksavec sprach von einer "Apokalypse wahrhaft biblischen Ausmaßes", wie STA berichtete.

Mindestens drei weitere Orte waren von Erdrutschen betroffen. Mindestens drei Brücken stürzten ein, zahlreiche Autobahn-Abschnitte und Landstraßen standen unter Wasser. Der Katastrophenschutz meldete innerhalb von 36 Stunden landesweit mehr als 3700 Einsätze. Unter anderem wurden Menschen gerettet, die sich auf Bäumen oder Hausdächern in Sicherheit gebracht hatten.

Hangrutsche drohen in Österreich

Im Süden des benachbarten Österreichs haben Überschwemmungen mindestens ein Menschenleben gefordert. Eine Person war nach Angaben von Augenzeugen am Sonntag in Zollfeld nördlich von Klagenfurt in die Glan gestürzt, wie die Regierung des Bundeslandes Kärnten berichtete. Sie konnte später nur noch tot geborgen werden. Zum Unfallhergang gab es zunächst keine weiteren Angaben.

Der Hydrographische Dienst erwartete einen deutlichen Rückgang des Hochwassers an den meisten Flusspegeln, zunächst nicht aber an der Glan und einem weiteren Fluss. Die Behörden wappneten sich für abrutschende Hänge, weil die Böden nach dem Starkregen Donnerstag und Freitag völlig übersättigt waren. Allein im Bezirk Völkermarkt mussten mehr als 200 Menschen aus Sicherheitsgründen ihre Häuser verlassen.

Wegen der drohenden Rutschungen wurden in Kärnten aus Vorsicht insgesamt mindestens 40 Häuser und Wohnungen geräumt. Die Menschen kamen bei anderen oder in Notunterkünften unter. Auch das benachbarte Bundesland Steiermark, wie Kärnten an der Grenze zu Slowenien, war betroffen. Dort sanken die Pegel der meisten Flüsse und Bäche, mit Ausnahme der Mur, die durch Graz Richtung Slowenien fließt.

Am Samstag wurden in Österreich vorsorglich Campingplätze geräumt. Mehr als 2500 Feuerwehrleute waren in jedem der Bundesländer im Einsatz, dazu Dutzende Soldaten.

In einem südlichen Vorort der Hauptstadt von Kärnten, Klagenfurt am Wörthersee, musste ein Rückhaltebecken ausgepumpt werden, damit es nicht überläuft. In Lavamünd gerieten völlig durchnässte Hänge ins Rutschen und bedrohten Wohnhäuser.

In Leibnitz in der Steiermark wurde ein Seniorenheim vorsorglich geräumt. In einer anderen Ortschaft wurden Menschen mit Booten aus ihren Häusern abgeholt und in Sicherheit gebracht.

Im südlichen Burgenland hat sich die Lage nach den jüngsten Niederschlägen entspannt. Weil Autobahnen und Ausweichstraßen teils wegen der Überschwemmungen gesperrt waren, kam es am Samstagmorgen zu Staus auf den wichtigsten Transitrouten für Kroatien-Urlauber. Die Behörden empfahlen, Fahrten nach oder durch den Norden Sloweniens zu verschieben.

Unterdessen erwartete das südliche Nachbarland Kroatien eine hohe Flutwelle der aus Slowenien kommenden Flüsse. Bis zum Abend blieben größeren Überflutungen aber aus. Vereinzelt mussten zuvor auch hier bereits Menschen gerettet werden.

Mehrere Gemeinden errichteten vorsichtshalber Dämme aus Sandsäcken. Betroffen war teilweise auch die Adria-Küste. In Split mussten nach Sturm und Starkregen Fahrzeuge aus überschwemmten Straßen in Sicherheit gebracht und Keller ausgepumpt werden.

dpa