Abgeordnetenkammer billigt Berlusconis Sparpaket. Gewerkschaften kündigen neue Proteste an. Rücktritt des Premiers gefordert

Begleitet von Protesten in und außerhalb des Parlaments hat die italienische Regierung ihr milliardenschweres Sparpaket zum Abbau der Staatsschulden über die Bühne gebracht. Am Mittwoch Abend stimmte auch die Abgeordnetenkammer mit einer Mehrheit von 314 zu 300 Stimmen für Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Volumen von 54 Milliarden Euro. Premier Silvio Berlusconi mußte sich dort zudem einer Vertrauensabstimmung unterziehen. Der Senat hatte das Paket bereits in der vergangenen Woche abgesegnet.

Vor der Abgeordnetenkammer lieferten sich zur selben Zeit Hunderte Demonstranten Scharmützel mit der Polizei. Mitglieder der Basisgewerkschaft Cobas zündeten Feuerwerkskörper, kippten Müllkästen um und bewarfen die Beamten mit Gegenständen. Die Polizei ging mit Knüppeln gegen die Aktivisten vor. Danach protestierten Hunderte Menschen vor dem Kolosseum. »Hände weg von unserer Zukunft!« lautete der Slogan der Demonstranten.

Das Sparpaket der Regierung wurde vom stärksten italienischen Gewerkschaftsverband CGIL scharf kritisiert. Das Match sei mit der Verabschiedung des Rotstiftpakets nicht zu Ende, die Gewerkschaft plane weitere Protestinitiativen dagegen, weil das Land durch die Regierungsbeschlüsse in die Rezession gestürzt werde, warnte CGIL-Generalsekretärin Susanna Camusso. Der Chef des Gewerkschaftsverbands CISL, Raffaele Bonanni, kündigte einen Massenprotest der Staatsbeamten gegen die von der Regierung geplanten Rentenkürzungen und gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes an.

Der Sekretär der Rifondazione Comunista, Paolo Ferrero, warnte, daß Italien eine Lage wie in Griechenland drohe. Er rief alle Linksparteien zu einer nationalen Protestkundgebung gegen die europäische Politik am 15. Oktober in Rom auf. »Entweder Europa wechselt seine Politik, oder Italien wird den Spekulanten seine Schulden nicht mehr zurückzahlen«, erklärte Ferrero.

Oppositionschef Pierluigi Bersani warnte, daß Italien ohne Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung, für soziale Gerechtigkeit und zur Ankurbelung der Beschäftigung keine Zukunft habe. Das Sparpaket werde die internationalen Angriffe gegen Italien nicht stoppen und dem Land seine Glaubwürdigkeit nicht zurückgeben. »Die Finanzmärkte vertrauen dem Sparpaket nicht, weil sie der Regierung Berlusconi nicht vertrauen. Einen Neubeginn kann es im Land nur nach dem Rücktritt des Premiers geben«, betonte Bersani.

Das hoch verschuldete Italien will bis 2013 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Vorgesehen ist u.a. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 21 Prozent, die Anhebung des Rentenalters für Frauen im Privatsektor von 60 auf 65 Jahre und eine gemäßigte »Reichensteuer«. Zudem soll eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert werden. Die Ausgaben in der öffentlichen Verwaltung sollen um sieben Milliarden Euro in drei Jahren reduziert werden. Am Donnerstag demonstrierten deshalb in Rom Hunderte Bürgermeister aus großen und kleinen Städten gegen das Sparpaket. Die geplanten Kürzungen »gefährden die grundlegendsten Dienste für die Bevölkerung«, warnten die Bürgermeister.

Kritik mußte die Regierung Berlusconi auch vom einflußreichen Industriellenverband Confindustria hinnehmen. Die Unternehmer äußerten Bedenken gegen die Maßnahmen der Regierung. Zwar teile man die Bemühungen gegen die ausufernde Verschuldung, die Regierung habe jedoch in aller Eile fragwürdige Maßnahmen ergriffen, die sich negativ auf die Wirtschaft im Land auswirken würden, hieß es.