Gasplanet
© NASA/JPL-CaltechEin Gasplanet wandert durch die Gas-Staubscheibe i Richtung seines Planeten (Illu.)

Leicester/ England - Eine neue Theorie zur Entstehung von Felsplaneten vermutet, dass Felsplaneten lediglich das Überbleibsel einstiger Gasriesen sein könnten, deren Gashülle schon relativ kurz nach ihrer Entstehung von den Sternen regelrecht aufgezehrt wurde. Das neue Erklärungsmodell zur Planetenentstehung hätte auch gravierende Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit von außerirdischem Leben.

Bisherige Vorstellungen von der Entstehung Planeten gehen davon aus, das Planeten durch die sogenannte Kernakkretion entstehen, wenn sich innerhalb der protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub (auch als Akkretionsscheibe bezeichnet) um junge Sterne zunächst kleinste Staubpartikel zu immer größeren Brocken zusammenklumpen und dadurch nach und nach sogenannte Planetesimale bilden, die dann wiederum selbst miteinander kollidieren und so immer größere Körper bilden. Überschreiten die so entstandenen Körper eine kritische Menge an Masse, zieht ihre Schwerkraft auch Gase aus der protoplanetaren Scheibe an, die sich ebenfalls um den vorhandenen Kern ansammelt.

Schon im vergangenen Sommer hat Sergei Nayakshin von der "University of Leicester" eine neue Theorie der Planetenentstehung vorgestellt, mit der die Entstehungsprozesse wesentlich schneller vorangehen könnten und das bisherige Prinzip regelrecht umkehrt.

Sein Modell des "Tidal Downsizing" (frei übersetzt: Gezeitenschrumpfung bzw. Gravitationsschrumpfung) beschreibt nun einen Prozess, bei dem sich innerhalb der protoplanetaren Scheibe zuerst gewaltige Ansammlungen von Gasen zusammenfinden und zwar in den äußeren Regionen, in welchen sich auch die meisten Planeten in Planetensystemen befinden.

Hier sich selbst überlassen, kühlen demnach diese Gasklumpen ab und ziehen sich dabei zu sehr großen Gasriesen von etwa der zehnfachen Masse des Jupiters zusammen. Nayakshin konnte aufzeigen, dass während dieses Prozesses aber auch Staubkörner beachtlich anwachsen und schließlich im Zentrum der Gasklumpen große feste Kerne - sogenannte Proto-Felsplaneten - mit einer deutlich größeren Gashülle bilden können.

"Wenn ein Kern existiert, kann sich auch recht schnell eine Atmosphäre um diesen herum bilden", so Nayakshin. "Diese Atmosphäre besteht dann hauptsächlich aus Wasserstoff, ist jedoch chemisch schon deutlich reichhaltiger als das uranfängliche Staubmaterial selbst."

"Je massereicher der felsige Kern, desto massereicher ist im Modell von Nayakshin auch die ihn umgebende Atmosphäre, die zudem fortwährend auch noch zunimmt und schlussendlich einen gewaltigen Gasriesen mit einem festen Kern im Zentrum bildet, vergleichbar etwa mit einem 'Super-Jupiter'", berichtet das Astrobiology Magazine der NASA (astrobio.net).

Weiterhin wirken jedoch auch die Kräfte der diese Gasriesen umgebenden Scheibe auf die so entstandenen Planeten und drücken diese zusehends ins Innere des Planetensystems in Richtung des Zentralgestirns, einst beispielsweise der noch jungen Sonne, die mit zunehmender Annäherung die äußeren Gashüllen aufzuzehren beginnt.
© C.R. O'Dell/ Rice University/ NASAVier von den hier zu sehenden fünf "Baby-Sterne" im Orion-Nebel besitzen Scheiben auf Staub und Gasen um sich, aus welchen heraus Planeten entstehen können.

Basierend auf dieser Theorie vermutet Nayakshin, dass Felsplaneten wie die Erde oder sogenannte "Super-Erden", also Felsplaneten von der 1,5 bis 10-fachen Masse der Erde, die Reste dieses Vorgangs und somit von einstigen Gasriesen sein könnten, die sich nicht weiterentwickeln konnten und von ihren Sternen ihrer ursprünglich gewaltigen Gashülle beraubt wurden.

Diese felsigen Kerne und ihre oberflächennahen Atmosphärenschichten, so berichtet Nayakshin in der August-Ausgabe der Fachzeitschrift "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society", könnten aufgrund ihrer deutlich größeren Dichte diesen zerstörerischen Prozess überdauert haben: "Die verbleibenden Kerne entsprechen so ziemlich genau dem, was wir uns unter einem (erdartigen) Felsplaneten vorstellen, mit einer Masse zwischen nahezu 0 und rund 10 Erdmassen."

Dieser Prozess würde dann auch bedeuten, dass die so entstandenen Felsplaneten ihre Sterne derart dicht umkreisen, dass sie dies innerhalb der sogenannten habitablen Zone tun, jener Abstandsregion also, innerhalb derer aufgrund gemäßigten Oberflächentemperaturen Wasser in flüssiger Form - und damit die Grundlage des Lebens, wie wir es von der Erde kennen - existieren kann.

Sollte die Planetenentstehung tatsächlich auf der von Nayakshin beschriebenen Weise ablaufen, "so könnten Planeten auch um Sterne herum entstehen, die für den Prozess des bisherig favorisierten Entstehungsmodells der Kernakkretion als ungeeignet erschienen, wenn deren protoplanetaren Scheiben beispielsweise nur wenig Staubkörner aufwiesen", kommentiert Aaron Boley von der "University of Florida" die neue Theorie. "Es ist ein anderer Weg auf dem die Natur Planeten entstehen lassen könnte.

Möglicherweise, so die beiden an derartigen Theorien arbeitenden Forscher, schließt das neue Modell die klassische Planetenentstehung durch Kernakkretion jedoch nicht aus und Planeten können sowohl auf die eine als auch auf die andere Weise entstehen.

Wenn also nach dem "Tidal Downsizing"-Modell auch in bislang als für Planetenentstehung ungeeignet erachteten Systemen Planeten entstehen könnten, würde das nicht nur die geschätzte Gesamtanzahl von Planeten im Universum sondern auch die Wahrscheinlichkeit für lebensfreundliche erdartige Planeten und damit auf für Leben jenseits der Erde massiv erhöhen.

Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / astrobio.net