Zu normalen Zeiten bringen Paarungen mit verschiedenen Männchen für Weibchen keine Vorteile. Aber dieses Verhalten ist in kleinen, von Inzucht bedrohten Gruppen sehr nützlich.
Rotbrauner Reismehlkäfer
© n-tv.deRotbrauner Reismehlkäfer

Sex von Weibchen mit mehreren Männchen ist aus Sicht der Evolution ein Rätsel: Er führt nicht zu weiterer Verbreitung des Erbguts, wenn für eine erfolgreiche Vermehrung ein einzelner Samenspender ausreichen würde. Im Vergleich zu einer einzelnen Paarung ist er riskanter und in vieler Hinsicht anstrengend und kostenintensiv. Dennoch ist Promiskuität der Weibchen im Tierreich eher Regel als Ausnahme.

Britische Forscher fanden jetzt Hinweise, die dieses Rätsel lösen könnten: Beim Rotbraunen Reismehlkäfer führt eine hohe Promiskuität der Weibchen unter besonderen Umständen zu größerer Fruchtbarkeit. Das Verhalten scheint die Antwort der Tiere auf die drohenden Folgen von Inzucht bei kleinen Populationen zu sein, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt Science.

Eine Frage der Populationsgröße

Matthew Gage von der Universität von East Anglia in Norwich untersuchte den Fortpflanzungserfolg von Reismehlkäfer-Weibchen unter verschiedenen Populationsbedingungen, die sich bei diesen Tieren im Labor gut manipulieren lassen. Ging es den Tieren gut, so paarten sie sich nur relativ selten mit mehreren Männchen. Ihr Fortpflanzungserfolg blieb gleich - egal, ob sie nur einen oder bis zu fünf Partner hatten. Dies änderte sich allerdings in kleinen Populationen mit der Gefahr der Inzucht. Hier sank der Fortpflanzungserfolg "monogamer" Weibchen auf die Hälfte, der promisker Weibchen dagegen war ebenso gut wie in großen, gemischten Beständen.

Diese Unterschiede beruhten nicht darauf, dass etwa die Männchen in inzuchtgefährdeten Gruppen weniger fruchtbar waren, sondern allein auf Effekten auf der weiblichen Seite, berichtet Gage. Das veränderte Paarungsverhalten setzte sich auch schnell durch: Innerhalb von 15 Generationen, nachdem die Käferpopulationen einen drastischen, künstlichen Zusammenbruch erlebt hatten, änderte sich das Verhalten der Weibchen. Sie paarten sich im Durchschnitt fast doppelt so oft, meist mit verschiedenen Männchen, und verbrachten jedes Mal dabei eine längere Zeit.

Während zu normalen Zeiten Paarungen mit verschiedenen Männchen für Weibchen keine Vorteile bringen, sei dieses Verhalten in kleinen, von Inzucht bedrohten Gruppen nützlich, schließen die Forscher. Es könnte helfen, die Population wieder aus der Inzuchtgefahr zu bringen. Dies könne erklären, warum sich die Weibchen so vieler Arten im Tierreich gelegentlich oder regelmäßig verschiedenen Männchen zuwenden.

dpa