Berlin - Mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland sind internetsüchtig. Das sind rund ein Prozent der Bevölkerung, sagt Mechthild Dyckmans (FDP), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, gestern in Berlin. Damit liege die Online-Sucht auf dem Niveau der Cannabis-Abhängigkeit.

Am stärksten betroffen ist die Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen. Dort werden 2,4 Prozent als internetabhängig eingestuft. Sie verbringen mehr als vier Stunden am Tag im Internet. Weitere 13,6 Prozent, also etwa jeder Siebte, sind mehr als drei Stunden täglich online und damit suchtgefährdet. Das Problem betrifft vor allem junge Mädchen. Etwa jede sechste im Alter zwischen 14 und 16 Jahren gilt als gefährdet, fast fünf Prozent haben die Grenze zur Abhängigkeit bereits überschritten. Das größte Suchtpotenzial haben soziale Netzwerke wie Facebook, Jappy oder Schüler-VZ. Drei Viertel aller weiblichen und zwei Drittel aller männlichen Abhängigen unter 25 gaben an, dort einen großen Teil ihrer freien Zeit zu verbringen. Während Mädchen lieber chatten, tauchen Jungen in die virtuelle Realität von Online-Spielen wie World of Warcraft ab.

Von einer Sucht könne man sprechen, weil die Betroffenen ihr reales Leben fast völlig aufgäben, sagte Dyckmans. Sie vernachlässigen Arbeit, Schule, Freunde und am Ende oftmals sich selbst. „In manchen Fällen verwahrlosen die Leute körperlich“, sagt Mechthild Dyckmans. Wie bei Drogen- oder Alkoholabhängigen kommt es zu Entzugserscheinungen, Angstzuständen und Aggressionen.

Die Zahlen gehen auf eine Studie der Universität Lübeck im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zurück. 15 000 Menschen im Alter von 14 bis 64 Jahren wurden zu ihren Online-Gewohnheiten befragt. Mechthild Dyckmans bezeichnet die Untersuchung als ersten wichtigen Schritt, um das noch relativ neue Problem Internetsucht zu erforschen.

Im kommenden Jahr will die Drogenbeauftragte das Thema zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Sie schlägt vor, die Altersfreigabe für suchtgefährdende Spiele heraufzusetzen und will sich für standardisierte Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten einsetzen. Am wichtigsten, so Dyckmans, sei jedoch ein Ausbau der Präventionsarbeit. „Eltern sind oft nicht ausreichend informiert und deswegen häufig überfordert.“ )