Die Zahl der Deserteure steigt, und auch die bewaffneter Konfrontationen mit dem Militär: In Syrien streitet die Opposition über einen Strategiewechsel hin zum bewaffneten Kampf gegen das Regime Baschar al Assads.
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© dpaDie neuen Mittel der Opposition? Konfiszierte Waffen im Juni in Dschisr al Schughur

Exiloppositionelle haben die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien gefordert. Bei einem Treffen in Washington forderten Mitglieder der „Syrian Revolution General Commission“ die internationale Gemeinschaft auf, die vom Regime Präsident Baschar al-Assads begangenen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ durch Entsendung einer Friedenstruppe zu unterstützen. Derweil setzte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seine Beratungen über eine Syrien-Resolution fort. Frankreich, Deutschland, Portugal und Großbritannien hatten am Dienstag einen neuen Entwurf in das Gremium eingebracht, der die gewaltsame Niederschlagung der Freiheitsbewegung durch syrische Sicherheitskräfte kritisiert. Sanktionen freilich verlangt der Entwurf nicht.

Seit Beginn des Aufstands im Februar sind nach UN-Angaben mehr als 2700 Menschen getötet worden. Schätzungen zufolge, die auch von der Opposition nicht bestritten werden, sind darunter 700 Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter. War vor Ramadan-Beginn Anfang August noch davon ausgegangen worden, dass vor allem kriminelle Banden hinter der Tötung der Sicherheitskräfte standen, verlangen Teile der Opposition inzwischen immer deutlicher eine Bewaffnung der Bewegung. Auch Zahl der Deserteure ist in den vergangenen Wochen gestiegen, berichtet etwas der Nachrichtensender Al Dschazira, der weiter mit eigenen Journalisten in Syrien vertreten ist. „Dieses Regime lässt sich nicht anders beseitigen als mit Gewalt und Blutvergießen“, zitierte die Washington Post Anfang der Woche General Riad Assad, der an der Spitze einer selbst ernannten „Freien Syrischen Armee“ steht.

Zahl der Desertationen nimmt zu

Das Ziel seiner Einheiten sei es, ein eigenes Territorium in Nordsyrien zu erobern, mit Hilfe internationaler Unterstützung eien Flugverbotszone einzurichten und durch Waffenlieferungen aus dem Ausland das Land zu befreien. Im zentralsyrischen Homs, einer der Hochburgen der Opposition, verteidigt eine „Khalid Bin Walid-Brigade“ Zivilisten gegen Übergriffe staatlicher Einheiten. Im nahe Homs gelegenen Rastan gelang es bewaffneten Mitgliedern der Opposition Agenturberichten zufolge in den vergangenen Tagen offenbar, eine Einnahme der Stadt durch Regierungstruppen zu verzögern.

Die Militarisierung der Bewegung ist innerhalb der Opposition jedoch umstritten. „Friedliche Demonstrationen bleiben unsere Waffe“, sagte Hozan Ibrahim, Sprecher der Lokalen Koordinierungskomittees, dieser Zeitung. „Wir können eine gut organisierte und ausgebildete Armee nicht besiegen mit wenigen desertierten Soldaten, die lediglich über leichte Waffen verfügen.“ Ibrahim räumte zwar ein, dass ein Sturz Assads ohne Massendesertationen nicht möglich sei. Eine Machtübernahme lasse sich aber nicht dadurch erreichen, dass sich die Bewegung bewaffne wie die Rebellen in Libyen, sondern nur durch eine geschlossene Haltung der Opposition. Alles andere würde zu einem Bürgerkrieg führen.

Keine Unerstützung für Flugverbotszone

Auch international stößt die Forderung der Exiloppositionellen nach Einrichtung einer Flugverbotszone nicht auf Zustimmung. „Die Erfahrung in Libyen hat gezeigt, dass eine Flugverbotszone ohne militärische Intervention nicht durchzusetzen ist“, sagte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europaparlaments, Barbara Lochbihler, dieser Zeitung. Wer sich dafür stark mache, riskiere „eine unkalkulierbare Eskalation in einer Region, die einem Pulverfass gleicht und in ihrer geostrategischen Bedeutung mit Libyen nicht zu vergleichen ist“. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfrkation, Omid Nouripour, sprach sich ebenso gegen Einrichtung einer Flugverbotszone aus wie der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich.. Sie biete „keinen unmittelbaren Schutz“, da die Demonstranten „von Scharfschützen, Panzern und Geheimdienstmitarbeitern angegriffen werden“. Philipp Mißfelder hingegen, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, würde auch weitergehende Maßnahmen „sehr begrüßen“, sagte er dieser Zeitung. Dazu bedürfte es jedoch der „Einigkeit der ständigen Mitglieder für das erforderliche Sicherheitsratsmandat“.