Religion scheint ein Glücksgarant zu sein: Gläubige sind zufriedener, seltener depressiv, stabiler. Doch ist es der Glaube allein? Forscher haben Menschen in stark religiösen und nicht religiösen Ländern verglichen. Ihr Fazit: Nur wer gemeinsam glaubt, wird dadurch glücklicher.
Mann in Kirche
© Getty ImagesMann in Kirchenbank: Glaube als Inbegriff der Glückseligkeit?

Hamburg - Sie ist mittlerweile zu einem Kampfwort der Kirchenoberen geworden: Von einer "Wellness-Religion" sprechen sie spottend, wenn es darum geht, die Gläubigen an den Ernst der Religion zu erinnern und vor einer Verflachung des Glaubens zu warnen.

Dabei hat Religion durchaus einen Wellness-Faktor. Viele Studien zeigen, dass gläubige Menschen durchschnittlich zufriedener sind, seltener an Depressionen leiden, kurz: Ein glücklicheres Leben führen.

Wer glaubt, wird also glücklich? Die Schwäche der meisten Studien zum Glücksfaktor Glauben ist, dass sie mit Daten aus den USA arbeiten. Dort aber spielt Religion eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft. Könnte es also sein, fragten sich nun drei Psychologen, dass die glückspendende Kraft gar nicht der Glaube selbst ist, sondern die daraus resultierende Integriertheit und Anerkennung in der Gesellschaft?

Das Forscherteam der Humboldt-Universität, der University of Southampton und der Partnervermittlung eDarling nahm sich die Daten von über 200.000 Menschen aus elf Ländern vor. Sie stammten aus Befragungen der Partnervermittlung.

Anerkennung macht glücklich

Die Teilnehmer wurden gefragt, ob Glaube wichtig für sie sei. Sie sollten zudem bewerten, wie sehr vorgegebene Beschreibungen auf sie zutreffen (etwa "gesund", "optimistisch", "gelassen", "zufrieden"). Zudem gaben sie eine Selbsteinschätzung zu ihrem sozialen Verhalten, zum Beispiel: "Es ist einfach für mich, mich an Unterhaltungen mit Menschen zu beteiligen, die ich gerade erst getroffen habe."

Die Teilnehmer gaben auch an, wie sehr sie daran interessiert sind, sich in der Kirche zu engagieren. Die Wissenschaftler zogen Daten aus der weltweiten Gallup-Erhebung von 2008 hinzu, bei der Menschen unter anderem gefragt wurden, ob Religion einen wichtigen Platz in ihrem Leben einnehme.

Aus den Angaben der Menschen zu ihrem Glauben und ihrem kirchlichen Engagement konnten die Wissenschaftler Länderprofile zur jeweiligen Bedeutung der Religion erstellen. So aufgestellt konnten sie das Bild des glücklichen Gläubigen auf die Probe stellen: Besteht dieser Zusammenhang in allen Ländern?

Das Ergebnis war eindeutig: nein. In wenig religiösen Ländern (zum Beispiel Schweden, Niederlande, Deutschland), wo also Religiosität in der Gesellschaft weniger hoch angesehen ist und die Kirche keine bedeutende Rolle spielt, unterschieden sich gläubige und nicht gläubige Menschen kaum in ihrem Wohlbefinden und Selbstwertgefühl.
In religiösen Ländern (zum Beispiel Polen, Türkei, Russland) ergab sich ein anderes Bild: Dort hatten gläubige Menschen ein höheres Selbstwertgefühl, waren zufriedener als nicht gläubige. Religiosität macht also offenbar glücklich, wenn Menschen dafür sozial anerkannt werden, nicht aber per se.

Die Kirchenoberen haben also einen Grund mehr, den Bedeutungsverlust der Religion in der Gesellschaft zu beklagen: Der Wellness-Faktor schwächt sich ab. Aber das würden sie so natürlich nicht sagen.