Wasserdampf Marsatmosphäre
© ESA/AOES MedialabInfo-Animation über den Transport von Wasserdampf innerhalb der Marsatmosphäre

Guyancourt / Frankreich - Neue Analysen der Spektrometer-Daten der europäischen Mars-Sonde "Mars Express" belegen, dass sie Atmosphäre des Roten Planeten übersättigt mit Wasserdampf ist und widerlegt damit bisherige Klimamodelle des Roten Planeten und hat bedeutende Auswirkungen auf das bisherige Verständnis des Wasserkreislaufs des Mars und die historische Entwicklung der Marsatmosphäre.

Obwohl schon zuvor zahlreiche Sonden den Mars be- und untersucht haben, lagen bislang nur wenige direkte Messungen der vertikalen Struktur der Atmosphäre des Planeten vor. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass die meisten Sonden immer nur von oben auf die Marsoberfläche hinunter blickten und so nur die horizontale Verteilung von Gasen in der Atmosphäre analysieren konnten. Was offen blieb, war die Frage, wie Wasserdampf in der Atmosphäre vertikal verteilt ist, weshalb auch bisherige Modelle des hydrologischen Kreislaufs des Mars unvollständig waren.

Durch die neuen Daten des SPICAM-Spektrometer (Spectroscopy for Investigation of Characteristics of the Atmosphere of Mars) konnte diese Lücke nun mit erstaunlichen neuen Erkenntnissen geschlossen werden, nachdem dieses das Sonnenlicht analysierte, wie es unmittelbar nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang durch die Marsatmosphäre fiel. Hierbei konnte die Sonde ein vertikales Profil für unterschiedliche Bestandteile der Atmosphäre des Mars, darunter auch von Wasserdampf, erstellen.

Die SPICAM-Messungen während des nördlichen Frühlings und Sommers deuten daraufhin dass sich die vertikale Verteilung von Wasserdampf in der Marsatmosphäre deutlich von bisherigen Vermutungen unterscheidet.

Wie die Forscher um Luca Maltagliati vom "Laboratoire Atmosphères, Milieux, Observations Spatiales" (LATMOS) aktuell im Fachmagazin Science berichten, erbringen die Beobachtungen im infraroten Lichtspektrum, dass die Marsatmosphäre mit Wasserdampf geradezu übersättigt ist.

Dennoch beinhaltete die Atmosphäre des Roten Planeten immer noch 10.000 Mal weniger Wasserdampf als die der Erde. Dennoch handelt es sich bei Wasserdampf um ein sehr dynamisches Spurengas und zugleich um einen der am meisten von den Jahreszeiten abhängigen atmosphärischen Bestandteile.
Sonnenaufgang Marskrater
© NASA/JPL/Texas A&M/CornellEin Blick auf den Sonnenuntergang über dem Rand des Marskraters Gusev am 19. Mai 2005, beobachtet vom NASA-Marsrover "Spirit", offenbart auch wichtige Informationen über Staubpartikel und Wolken in der Atmosphäre des Roten Planeten. (Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen.)

Unter normalen Bedingungen auf der Erde kondensiert Wasserdampf um kleinste Staubpartikel, Aerosole und Salze, wenn die atmosphärische Temperatur unter einen bestimmten "Taupunkt" fällt. In einem solchen Fall spricht man dann von einer gesättigten Atmosphäre, da sie bei dieser Temperatur und entsprechendem Druckniveau nicht mehr Feuchtigkeit halten kann. Jeglicher weiterer Wasserdampf, der diesen Punkt übersteigt, kondensiert für gewöhnlich in Form von Tröpfchen und Eiskristallen.

Zur Übersättigung kann es allerdings dann kommen, wenn der Wasserdampf in der Atmosphäre verbleibt und nicht zu Regentropfen kondensiert oder gefriert. Gibt es - wie in der Marsatmosphäre angenommen - allerdings zu wenige Partikel, an welchen der Wasserdampf kondensieren kann, wird dieser Vorgang aufgehalten und beachtliche Mengen von überschüssigem Wasserdampf verbleiben in der Atmosphäre.

Bis jetzt gingen Wissenschaftler grundsätzlich davon aus, dass eine derartige Übersättigung in der kalten Marsatmosphäre nicht stattfinden kann und überschüssiger Wasserdampf umgehend zu Eis gefriert. Die SPICAM-Daten belegen nun allerdings, dass es immer wieder in den mittleren Schichten der Marsatmosphäre (auf 20 bis zu 50 Kilometern Höhe) zu genau dieser Übersättigung kommt, wenn der Planet seinen sonnenfernsten Punkt, das Aphel, erreicht.

Die Übersättigung der Marsatmosphäre kann dabei das 10-fache der irdischen Werte erreichen. Es gibt also deutlich mehr Wasserdampf in der Marsatmosphäre, als das bislang vermutet wurde. Bisherige Klimamodelle des Mars unterschätzten die Mengen an Wasserdampf in den entsprechenden Höhen deutlich, beträgt die tatsächliche Menge doch zwischen dem 10- und 100-fachen der bisherigen Annahmen.

"Unsere neuen Messungen haben gravierende Auswirkungen auf unsere Vorstellungen des globalen Klimas und über den Transport von Wasser von einer auf die andere Hemisphäre des Planeten", so Maltagliati. "Unsere Daten legen nahe, dass deutlich mehr Wasserdampf hoch genug in die Atmosphäre getragen wird, um hier von photochemischem Reaktionen beeinflusst zu werden", fügt Franck Montmessin hinzu: Sonneneinstrahlung könne dann nämlich die Wassermoleküle in Sauerstoff und Wasserstoffatome aufspalten, die dann ins All verfliegen können. Dieser Vorgang habe dann Auswirkungen auf die Rate, mit der Wasser dem Planeten verloren geht aber natürlich auch für die Langzeitentwicklung der Oberfläche und Atmosphäre des Mars.

Die aktuelle Analyse basiert allerdings auf den SPICAM-Messdaten, wie sie zu Zeiten ermittelt wurden, zu welchen die Marsatmosphäre relativ staubfrei ist. Die Abwesenheit von Staub ermöglicht es dem Instrument erst, dass vertikale Atmosphärenprofil bis auf 10 Kilometer oberhalb der Planetenoberfläche zu erstellen. Die Übersättigungswerte fallen dann wahrscheinlich während des südlichen Sommers, wenn Staubstürme große Mengen an Aerosolen und damit sehr viel Kondensationskerne in die Marsatmosphäre tragen.

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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / esa.int