GPS-Satellit im Erdorbit
© NASAArchiv: GPS-Satellit im Erdorbit (Illu.)

Groningen/ Niederlande - Die Nachricht ging als Sensation um die Welt: Vor drei Wochen erklärten Wissenschaftler am europäischen Kernforschungszentrum "CERN", Neutrinos gemessen zu haben, die sich offenbar schneller als das Licht bewegt hatten und stellten damit einen der Grundpfeiler der Relativitätstheorie, die Lichtgeschwindigkeit als absolutes und kosmisches Tempolimit, in Frage (...wir berichteten 1, 2).

Auf "arXiv.org" haben nun Forscher um Ronald van Elburg von der "Rijksuniversiteit Groningen" einen Artikel veröffentlicht, mit dem sie eine Lösung für die offenbar unmöglichen Messergebnisse des "OPERA"-Experiments liefern.

Knappe 60 Nanosekunden sollen die Neutrinos zwischen dem italienischen "Gran Sasso Laboratory" und der OPERA-Messstation am CERN schneller als das Licht gereist sein - ein Umstand, für den unterschiedliche Forscher und Wissenschaftler seither verzweifelt nach Erklärungsmodellen gesucht und sogar Abkürzungen zwischen den Dimensionen in Betracht gezogen haben (...wir berichteten). Alleine auf "arXiv.org", einem Online-Vorab für wissenschaftliche Vorabveröffentlichungen (Preprints), erschienen nicht weniger als 80 neue Theorien und Erklärungsvorschläge.

Die niederländischen Forscher warten nun hingegen mit einer geradezu ernüchternd einfachen Erklärung auf: die gemessene Überschreitung kosmischen Tempolimits entspreche exakt der relativistische Bewegung der Uhren an Bord der GPS Satelliten im Unterschied zu Uhren der Bodenstationen, mit deren Hilfe die Reisegeschwindigkeit der Partikel über die besagte Distanz gemessen wurde.

Da sich die GPS-Satelliten von Westen nach Osten mit einer Neigung von 55 Grad zum Äquator bewegen, stimmt ihre Flugahn recht genau mit der gemessenen Strecke der Neutrinos überein. Dadurch kann die relative Bewegung der Satelliten sehr genau bestimmt werden. "Aus der Perspektive der Uhr (an Bord des Satelliten), 'bewegt' sich der Detektor auf der Erde in Richtung der Quelle der Neutrinos. Dadurch 'verkürzt' sich die Distanz, wie sie von GPS-Satellitenuhren 'gesehen' wird." Vergisst man diese relative Bewegung, entsteht die gemessene Abweichung. "Diesen Faktor hat das OERA-Team offenbar nicht bedacht", so van Elburg.

Laut van Elburgs Berechnungen sollte dieser Effekt dazu führen, dass der Eindruck entsteht, als kämen die Neutrinos rund 32 Nanosekunden "zu früh" an. Da dieser "Fehler" an beiden Enden des Experiments entsteht, muss der Wert verdoppelt werden, wodurch man 64 Nanosekunden erhält. Diese 64 Nanosekunden entsprechen dann fast exakt der gemessenen angeblichen Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit durch die Neutrinos im Experiment.

Während der Artikel nun noch die Expertenbegutachtung (Peer reviews) überstehen muss und auch noch keine Reaktion des OPERA-Teams dazu vorliegt, wäre "könnte diese Episode zur wissenschaftlichen Ironie werden", kommentiert der "The Physics ArXiv Blog" (technologyreview.com/blog/arxiv). "Weit entfernt davon, die Einsteinsche Relativitätstheorie zu verletzten, wäre die Messung vermeintlich überlichtschneller Teilchen stattdessen eine weitere Bestätigung dieser."

- Den vollständigen Artikel "Times Of Flight Between A Source And A Detector Observed From A GPS Satellite" finden Sie hier.

Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / arxiv.org / arxiv.org/abs/1110.2685