Bangkok. Die thailändische Regierung hat im Kampf gegen das tagelange Hochwasser Hilflosigkeit eingestanden. Trotz verzweifelter Versuche, Teile der Hauptstadt Bangkok vor den Fluten zu schützen, sollen jetzt alle Schleusen geöffnet werden.
Bangkok: Sandsäcke/Schutz vor Überflutung
© apHunderttausendfach wurden in den vergangenen Tagen in Thailand Sandsäcke zu Dämmen aufgehäuft. Doch der Kampf gegen das Hochwasser in Bangkok droht zu scheitern. Die Regierung erklärt, die Stadt sei vor den Fluten nicht mehr zu retten.

Nach tagelangem verzweifelten Kampf gegen das Hochwasser ist Bangkok doch nicht mehr vor den Fluten zu retten. Die Hauptstadt könne nicht mehr komplett geschützt werden, sagte Thailands Regierungschefin Yingluck Shinawatra am Donnerstag. Sie werde vielmehr die Behörden anweisen, alle Schleusen der Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole zu öffnen, damit das immense Hochwasser aus dem Norden des Landes schneller in Richtung Meer fließen könne. „Man kann das Wasser nicht ewig blockieren“, sagte Yingluck.

Thailand erlebt seit mehr als zwei Monaten die heftigsten Regenfälle und Überschwemmungen seit Jahrzehnten, mehr als 320 Menschen kamen ums Leben. Ganze Landstriche sind überflutet, vor allem im Norden des Landes. Da die Hauptstadt Bangkok zunächst unbedingt geschützt werden sollte, war dort durch kilometerlange Wälle aus Sandsäcken das Wasser am Abfließen in Richtung Süden und damit ins Meer gehindert worden.

Nach heftiger Kritik am Krisenmanagement der Regierung hatte Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra am Mittwoch ihre Hilflosigkeit angesichts des schlimmsten Hochwassers seit mehr als 50 Jahren eingestanden. Die Regierung hatte noch vor einigen Tagen erklärt, die Hauptstadt Bangkok bleibe von den Fluten verschont.

Bei einer emotionalen Pressekonferenz bat die regierungsunerfahrene Schwester des 2006 bei einem Militärputsch gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra die Medien um Nachsicht und rief zu Solidarität im Kampf gegen die Wassermassen auf. Ihre Regierung tue alles Menschenmögliche, doch dies sei eine große, nationale Krise. Fragen, ob die Bevölkerung in Bangkok aufatmen könne oder nicht, könne sie nicht beantworten, erklärte sie den Reportern am Mittwoch verstört und verwies diese an Experten: Ihre persönlichen Ansichten könnten zu einem „Vertrauensverlust führen und für Verwirrung unter der Bevölkerung sorgen“.

Dass das Vertrauen bereits verloren ist, ging aus einer jüngsten Meinungsumfrage hervor, wonach 87 Prozent der 415 Befragten den Informationen der Regierung zum Hochwasser keinen Glauben mehr schenkt. Tiefpunkt der Informationspolitik der Regierung war der 13. Oktober, als Wissenschaftsminister Plodprasop Suraswadi im Fernsehen live die sofortige Evakuierung eines Gebiets im Norden Bangkoks anordnete. Weniger als 20 Minuten später wurde der Befehl zurückgenommen.

Warnung vor brechenden Dämmen

„Ich bin jedes Mal verwirrt, wenn ich eine Warnung der Regierung höre,“ sagte eine Einwohnerin der Hauptstadt, deren Haus am Mittwochmorgen überflutet wurde. Yingluck erklärte indes: „Wir sagen die Wahrheit, wir verheimlichen nichts vor der Bevölkerung.“ Die Regierung könne die Krise nicht alleine bewältigen. „Wir müssen alle zusammenhalten und die Politik jetzt beiseitelassen“, sagte sie.

Bangkoks Gouverneur Sukhumbhand Paribatra von der Opposition hatte die Einwohner der Stadt wiederholt davor gewarnt, dass die Dämme brechen könnten - auch als die Regierung bereits Entwarnung gegeben hatte.

Der Kampf gegen das Hochwasser ging unterdessen weiter. Nach der Überflutung eines Industrieparks nördlich von Bangkok versuchten Rettungskräfte, ein weiteres Gewerbegebiet mit Sandsäcken zu schützen. Nach Angaben des Fernsehsenders MCOT forderten die lokalen Behörden die Anwohner auf, das Gebiet zu verlassen.

Auch Teile Bangkoks selbst waren weiterhin von den Wassermassen bedroht. Bereits am Dienstag standen etwa 200 Fabriken unter Wasser, der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Mindestens 317 Menschen sind bislang beim schlimmsten Hochwasser in Thailand seit mehr als 50 Jahren ums Leben gekommen, 27 der 77 Provinzen des Landes stehen nach wie vor unter Wasser.

(afp/dapd)