Innsbruck. Der Österreichableger von Anonymous, AnonAustria, besitzt nach eigenen Angaben 600.000 Datensätze der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK). In der Nacht auf Mittwoch veröffentlichte die Gruppe die Daten von Schlagersänger Hansi Hinterseer, Schauspieler Tobias Moretti und Skifahrerin Nicole Hosp. AnonAustria betonte auf ihrem Twitter-Account, dass sie die Daten nicht durch einen Hack erhalten hätten, sondern "zufällig darüber gestolpert seien".

Die TGKK versuchte am Mittwoch, die Herkunft der Datensätze zu klären. Obmann Michael Huber schloss aus, dass Krankengeschichten gehackt worden sein könnten. Die doppelte Firewall der TGKK sei "nicht geknackt" worden, betonte Huber.

Es könnte sich um Datensätze handeln, die die Krankenkasse monatlich an Vertragspartner wie zum Beispiel Ärzte oder das Rote Kreuz weitergebe. Mit diesen Daten könne überprüft werden, ob jemand tatsächlich versichert sei. Nicht enthalten seien dabei Aufzeichnungen über Erkrankungen der 550.000 TGKK-Versicherten, so Huber.

Der Direktor der TGKK, Heinz Hollaus, berichtete am Vormittag von Anrufen Versicherter, die ihre E-Card sperren lassen wollten. Auf der E-Card seien aber "keinerlei sensible Daten gespeichert". Sie diene lediglich dazu, beim Vertragspartner einen Leistungsanspruch nachzuweisen, betonte der Direktor.
Wissen: Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung normiert, welche Kommunikationsdaten wie lange aufgehoben werden und unter welchen Bedingungen die Ermittlungsbehörden auf das Datenmaterial zugreifen dürfen. Basis ist eine EU-Richtlinie, die 2006 zwecks Terror-Bekämpfung verabschiedet wurde und bei deren Umsetzung Österreich lange säumig war. In Kraft treten sollen die Bestimmungen im April 2012. Die Richtlinie und ihre Übernahme ins österreichische Recht werden seit langem massiv kritisiert.

Betroffen sind sämtliche Kommunikationsvorgänge via Telefon und Handy, E-Mail und Internet. Sechs Monate sollen künftig die Kommunikationsbetreiber die Daten speichern. Darunter fallen neben den Stammdaten (Name und Adresse) auch Handy- und Telefonnummern, IP-Adressen, aber auch die Geräte-Identifikationsnummern von Mobiltelefonen oder die Standortdaten.

Auf all diese Daten können die Ermittlungsbehörden zugreifen - je nach Verdachtslage und Art der Daten gibt es bestimmte Einschränkungen.

Die EU-Richtlinie wird von der EU-Kommission derzeit überarbeitet, nachdem ihre Umsetzung schon in mehreren Ländern von den Höchstgerichten gekippt wurde.
Die Daten der Versicherten seien "nach dem neuesten Stand der EDV-Technik gesichert". Daten über Diagnosen, Medikamentenkonsum und Einkommensverhältnisse seien "bestmöglich geschützt", hieß es

Das sieht ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger anders. Er verwies darauf, dass 110 Millionen Medikamente von Ärzten verordnet werden, diese würden zumindest mit der E-Medikation auf einem zentralen Server landen. Und ein zentraler Server fordere Missbrauch heraus.

"Keine Bagatelle"

Für den Vizepräsidenten der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, ist es wiederum bezeichnend, dass gerade in der E-Medikations-Pilotregion Tirol "ein Malheur dieser Größenordnung" passiert sei. Er warte nun darauf, dass die politisch Verantwortlichen endlich bekennen, dass eine 100-prozentig sichere Speicherung von Medikations- und Gesundheitsdaten nicht gewährleistbar sei. "Dass Hacker über 600.000 Patientendaten 'stolpern' ist keine Bagatelle und sollte uns endgültig die Augen öffnen."