Den Beschwichtigungen der Behörden, die Flut bleibe der Hauptstadt erspart, haben die Bewohner Bangkoks schon lange keinen Glauben mehr geschenkt: Sie errichteten selbst Dämme, um ihre Häuser und Geschäfte vor den herannahenden Wassermassen zu schützen. Nun haben die Fluten tatsächlich die ersten Vororte erreicht - und endlich räumt auch Thailands Regierung den Ernst der Lage ein.

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Letztendlich musste auch Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra die Übermacht des Wassers - und das Scheitern des Krisenmanagements der Behörden eingestehen. Während am Freitag die ersten Außenbezirke Bangkoks überschwemmt wurden, rief Thailands Regierungschefin die Bewohner der Hauptstadt auf, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen - und sich auf Evakuierungen vorzubereiten.

Zuvor hatte sie angeordnet, die Schleusen vor der Millionenmetropole zu öffnen. So sollte sich das Wasser nicht weiter anstauen, sondern kontrolliert durch die Stadt in Richtung Meer ablaufen. Doch der Notfallplan der Regierung scheint nicht aufzugehen: Die braune Brühe tritt bereits jetzt über die Ufer der Kanäle. Im etwa 15 Kilometer vom Zentrum entfernten Bezirk Lak Si stehe das Wasser bis zu 70 Zentimeter hoch, etwa 2000 Haushalte seien betroffen, teilten die Behörden mit. Und dabei sollen die Fluten zum Wochenende hin noch steigen.

Regierung verliert das Vertrauen der Bevölkerung - und Investoren

In Bangkok glaubte bereits in den vergangenen Tagen kaum mehr jemand der Beschwichtigungspolitik der Regierung, die unbeirrt propagierte, der Hauptstadt drohe keine Gefahr. Bis in die späten Nachtstunden waren Maurer am Werk, die Dämme vor den Eingängen von Banken und Geschäften errichteten - bis zu einem Meter hoch. Vor Restaurants wurden zentnerweise Sandsäcke zu Wällen aufgeschichtet. In großen Supermärkten ging das Trinkwasser aus.

Besonders die Premierministerin machte in den vergangenen Tagen und Wochen keine gute Figur. Statt Führungsstärke zu zeigen, lamentierte Yingluck Shinawatra über die Naturgewalten. Noch Ende letzter Woche verkündete sie, der Industriepark Navanakorn nördlich von Bangkok sei sicher. Drei Tage später stand der Komplex mit 227 Fabriken und 175.000 Mitarbeitern unter Wasser.

"Das schlechte Krisenmanagement hat zu großen Beschwerden der japanischen Investoren geführt", sagt Vorovan Taraphum, ein Vermögensverwalter bei der Wirtschaftsagentur Bloomberg. "Die Regierung muss das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen und langfristig sicher sein, dass sie mit Naturkatastrophen fertig wird."

Dem Umfrageinstitut Abac sagten bei einer Blitzumfrage Anfang dieser Woche 87 Prozent der Befragten, den Angaben von Yingluck Shinawatras Fluthilfe-Zentrum Froc sei nicht zu trauen. Das fand sogar Bangkoks Gouverneur Sukhumbhand Paribatra, der seine Behörden anwies, nur noch auf ihn zu hören. Er wollte sich von der Zentralregierung in Angelegenheiten der Hauptstadt nicht reinreden lassen. "Wir tun unser Bestes, um der Regierung zu helfen, aber wir müssen an die Bedürfnisse der Einwohner denken", sagte er.

Doch so leicht wollte sich die Regierungschefin die Zügel nicht aus der Hand nehmen lassen und aktivierte an diesem Freitag ein Gesetz, das ihr die Entscheidungsgewalt beim Katastrophenmanagement gibt. Damit muss sich auch Bangkoks Gouverneur ihren Anweisungen beugen.

Er gehört der Oppositionspartei der Demokraten an. Die Bewohner der Hauptstadt argwöhnen, dass politisches Kalkül zwischen beiden im Spiel ist. Die Opposition hat mehrfach gefordert, dass die Regierung den Notstand ausruft. Dann könne das Militär stärker eingreifen. Das ist für Yingluck Shinawatra aber ein rotes Tuch: Ihr Bruder wurde 2006 im jüngsten Militärcoup aus dem Amt geputscht worden.