Die Spurensuche war auch eine Art Puzzle: Mit Aufnahmen aus Überwachungskameras kam die Polizei dem Berliner Serien-Brandtsifter auf die Spur. Der 27-Jährige, der in Berlin mehr als 100 Autos angezündet haben soll, hat gestanden: Er habe die Wagen allein und aus "reinem Frust" in Brand gesteckt. Denn er war arbeitslos. Als er wieder einen Job hatte, hörte er mit dem Feuerlegen auf.

Die Berliner Polizei hat einen Serien-Autobrandstifter gefasst. Der 27-jährige Mann hat "eine hohe Zahl von Fahrzeugen in Berlin in Brand gesetzt“, sagte der Sprecher der Berliner Polizei, Frank Millert. Der Verdächtige André H. hat inzwischen Dutzende Brandstiftungen gestanden. Nach Informationen von Morgenpost Online handelte der mutmaßliche Serien-Brandstifter nicht aus politischen Motiven. Der Mann sagte aus, er habe allein gehandelt - und aus "reinem Frust". Der Sachschaden geht in die Millionen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft drohen ihm deshalb mindestens zehn Jahre Haft.
autowrack
© JÖRG KRAUTHÖFERAlle Schäden werden sorgfältig dokumentiert.

Der Mann ist demnach bislang nicht bei der Polizei bekannt. Ihm werden mehr als 67 direkte Brandstiftungen zur Last gelegt und drei Fälle von schwerer Brandstiftung - weil das Feuer in diesem Fällen auch auf Häuser übergriff.

Mehr als 100 Autos in Flammen gesetzt

Nach den Vernehmungen ergibt sich dieses Bild: Der Mann steht er in dringendem Verdacht, in der Zeit vom 7. Juni bis zum 27. August hauptsächlich in den Bezirken Spandau, Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf Autos angezündet zu haben, 67 insgesamt. Das Feuer griff dabei mehrmals auf weitere Fahrzeuge über, insgesamt mehr als 30 - auf das Konto des Festgenommenen gehen nach dieser Rechnung also mehr als 100 abgebrannte Autos in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten. Es waren möglicherweise noch mehr: Ob der 27-Jährige weitere Taten begangen hat, das versucht die Polizei derzeit zu klären.

Dem Verdächtigen werden zudem versuchte schwere Brandstiftung und schwere Brandstiftung vorgeworfen. Er soll am 28. Juli ein in einem Carport geparktes Auto in der Mellener Straße in Lichtenrade angezündet haben - das Dach des Carports fing anschließend Feuer, die Flammen griffen auf den Dachstuhl eines Wohnhauses über. Die schlafenden Anwohner wurden geweckt und kamen mit dem Schrecken davon.

Die Polizei und das Video-Puzzle

Am Tag darauf soll der Mann mehrere Fahrzeuge einer Autovermietung in der Kurfürstenstraße in Höhe der Ansbacher Straße in Charlottenburg angezündet haben. Die Wagen waren im Unterstand einer Seniorenresidenz geparkt. Da auf dem Mietwagenparkplatz auch eine Zapfsäule installiert war, habe das gesamte Heim geräumt werden müssen.

Die von der Polizei wegen der Brandstiftungen eingesetzte Sonderkommission „Feuerschein“ kam dem Verdächtigen durch eine Art Video-Puzzle auf die Spur: Ausgewertet wurden Aufnahmen von Überwachungskameras. Wenn wieder Autos gebrannt hatten, untersuchten Beamte Überwachungsvideos aus Bussen und aus U-Bahn-Stationen im Umfeld des Tatortes. Dabei entdeckten sie: Der Verdächtige fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Zeiten und an Orten, die mit Autobrandstiftungen in Zusammenhang gebracht werden konnten.

Dabei verhielt er sich einem Ermittler zufolge auffällig: Er stieg aus einer U-Bahn aus und kehrte bereits zehn Minuten später wieder zurück - während die Feuerwehr gerade auf dem Weg zu einem brennenden Auto war. Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) observierten den 27-Jährigen, allerdings erfolglos. Ende August hörte André H. mit dem Anzünden von Autos auf. Später stellte sich heraus, dass der Gelegenheits-Arbeiter einen neuen Aushilfsjob gefunden hatte. Die Quelle für die Motivation „Frust“, so scheint es, existierte damit nicht mehr.

LKA-Chef: "Ein sensationeller Erfolg"

Der Verdächtige ist verschuldet, er lebt deshalb bei seiner Mutter in Berlin-Moabit. Dort wurde er am Freitag von Beamten des Staatsschutzes festgenommen. Der Staatsschutz hatte in den meisten Fällen von Autobrandstiftung in Berlin die Ermittlungen übernommen, weil zunächst von politischen Tatmotiven ausgegangen worden war.

„Diese Festnahme ist meiner Ansicht nach ein herausragender, ein sensationeller Erfolg“, sagte Christian Steiof, Chef des Berliner Landeskriminalamtes (LKA). Allerdings sagte er auch: „Es gibt noch eine Vielzahl von Brandstiftungen. Das Phänomen, da bin ich mir hundertprozentig sicher, wird uns weiter beschäftigen.“

Bernhard Witthaut, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte: „Brandanschläge bleiben ein Mittel der öffentlichen Aufmerksamkeit auch für extremistische Kräfte.“ Dies hätten die jüngsten Anschläge auf Bahnanlagen im Großraum Berlin gezeigt, sagte Witthaut der Leipziger Volkszeitung (Montagsausgabe).

Bislang brannten 2011 mehr als 550 Fahrzeuge

Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) sah sich in der Annahme bestätigt, es sei von Einzeltätern auszugehen, die nicht unbedingt politische Motive haben: „Die Festnahme eines Tatverdächtigen, dem 67 Brandstiftungen zur Last gelegt werden und wozu ich unserer Polizei gratuliere, zeigt, dass unsere Einschätzung richtig ist, dass der Schwerpunkt der Taten sich seit 2009 von linksextremistischen Gruppen, die derartige Taten befürwortet hatten, zu Kleingruppen, Einzeltätern und Nachahmungstätern verschoben hat.“

Bislang wurden in diesem Jahr in Berlin mehr als 550 Fahrzeuge durch Brandstiftungen beschädigt. Im Jahr mit den bislang meisten Brandstiftungen - 2009 - wurden in Berlin mehr als 400 Autos angezündet, im Jahr 2010 waren es etwa 300. Schätzungsweise die Hälfte der Taten verüben laut Polizei politisch motivierte Brandstifter aus linksextremen Kreisen. Bislang gab es nur kleinere Fahndungserfolge, nicht zuletzt durch Hinweise aus der Bevölkerung. Teils mussten Festgenommene aber wieder laufen gelassen werden.

Für Autobesitzer kommt es im Schadensfall darauf an, ob der Wagen völlig ausgebrannt ist oder nur beschädigt wurde. Ausgebrannte Fahrzeuge werden nach Angaben des Deutschen Anwaltvereins in der Regel mit ihrem aktuellen Wert ersetzt. Eine Beschädigung hingegen sei nur durch eine Vollkaskoversicherung abgedeckt, nicht jedoch von einer Teilkaskopolice. Auch Schäden an Fahrzeugen neben einem brennenden Auto müssten in der Regel selbst bezahlt werden.

dpa/dapd/BMO/nbo