Muammar al-Gaddafi, Jahrzehnte lang Despot und Tyrann Libyens, ist tot. Er wurde gejagt wie ein Tier und kaltblütig mit der freundlichen Unterstützung der Nato ermordet von Rebellen. Ganz Libyen jubelt und es mehren sich die Stimmen der Diplomaten und Politiker, die die Rebellen beglückwünschen und sich über den Tod Gaddafis freuen. Allen voran paradoxerweise Nicolas Sarkozy, von dem Gaddafi einst noch mit Pomp in Frankreich empfangen wurde.

Dabei sollten gerade Politiker kritisieren, dass hier gegen Menschenrechte verstoßen wurde, dass ein Mensch, sei er ein noch so kaltblütiger Tyrann, nicht einfach erschossen, sondern vor ein Gericht gestellt werden sollte. Eine Ermordung gutzuheißen ist pietätlos und zynisch, denn die Menschenrechte gelten für jeden. Aber bei einer Person wie Gaddafi darf eine Ausnahme gemacht werden? Falls das die Wertvorstellung der heutigen Zeit ist, treten wir die Menschenrechte mit Füßen und machen sie obsolet. Es sollte niemals rechtens sein, gegen Menschenrechte zu verstoßen, nur um einen Mann zu töten, der ebenfalls gegen Menschenrechte verstoßen hat.

Der Nato-Einsatz in Libyen hat vielen Unschuldigen das Leben und überdies eine Menge Geld gekostet. Und das nur, damit ein Mann von Rebellen, deren Führungsfähigkeiten fraglich sind, im Namen der Menschenrechte abgeschlachtet werden konnte? Wer versichert uns denn, dass es dem Land nun besser gehen und keine Anarchie ausbrechen wird? Gut möglich, dass der Status Quo in einen Bürgerkrieg münden und Libyen sogar instabiler, unfreier wird; der Westen hätte dies forciert.

Gewiss, Gadaffi hat gegen Menschenrechte verstoßen, hat jegliche Opposition im Keim erstickt; er war größenwahnsinnig und kaltblütig. Er musste von der politischen Bildebene verschwinden. Aber er hätte nicht ermordet werden müssen. Man bedenke, dass Gaddafi, auch wenn manch einer das nicht wahrhaben mag, viel für sein Land getan hat. Als er an die Macht kam, war Libyen die ärmste Nation der Welt, die Stämme im Land waren verfeindet. Die erzielten Gewinne des Ölexports gingen nicht ans Volk. Das änderte sich unter der Herrschaft Gaddafis, zwischen den Stämmen herrschte Friede und das Volk gewann an Reichtum. Er führte die Schulpflicht sowie einen Mindestlohn ein, machte den Schulbesuch kostenlos. Auch die Situation der Frauen verbesserte sich unter Gaddafi, sie wurden freier. Deswegen hatte er so viele Anhänger.

Man kann damit Gaddafis Gräueltaten keinesfalls rechtfertigen, trotzdem sollte man nicht zu schnell urteilen und sich über den Tod dieses Mannes gar freuen. Obgleich es für viele im Westen wohl der richtige Weg war, bleibt äußerst fraglich, ob Libyen nun ein freieres Land werden wird; besonders weil auch die Rebellen gegen zahlreiche Menschenrechte verstoßen, Unschuldige ermordet haben.

Hinzu kommt, dass der Tod eines Menschen, sei er zeit seines Lebens noch so grausam gewesen, niemals ein Grund zur Freude sein sollte. Man denke an die Menschen, denen Gaddafi etwas bedeutet hat. Haben sie etwa kein Recht zu trauern? Hierzu mag einem wohl der schönste Satz einfallen, der jemals in einem Film gesprochen wurde: „Manche, die leben, verdienen den Tod, und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Also sei nicht zu schnell mit einem Todesurteil bei der Hand.“ Dieses Zitat stammt aus dem „Herrn der Ringe“. Es zeigt deutlich, dass ein Tod niemals bejubelt werden sollte. Und doch geschieht momentan genau das in Libyen, ja die ganze Welt beglückwünscht die mit Blut befleckten Rebellen. Welch schwarzer Tag für die Menschenrechte.