Wissenschaft: Impfung gegen Zöliakie soll Unverträglichkeit gegen Getreide-Eiweiß und schwerwiegende Verdauungsprobleme überwinden
celiacos gluten
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Ein Kind auf dem OP-Tisch, Ärzte führen über den Mund eine Sonde ein, entnehmen Gewebeproben aus dem Verdauungstrakt. Routine etwa an der Universitätskinderklinik Gießen bei Patienten mit Verdacht auf Zöliakie, einer schwerwiegenden Darmentzündung. Den Betroffenen machen simple Grundnahrungsmittel zu schaffen. Sie vertragen ein Speicherprotein im Korn von Weizen und Dinkel nicht: Gluten, auch „Klebereiweiß“ genannt.
Bei der Erkrankung „geht die Schleimhaut im Dünndarm zugrunde, wobei eine Aufnahmestörung für alle Nährstoffe entstehen kann“, erläutert Klaus-Peter Zimmer, Chefarzt der Abteilung Allgemeine Pädiatrie in der Gießener Klinik. Zöliakie gilt als nicht heilbar, Betroffene müssen bislang glutenhaltige Lebensmittel strikt meiden.

Das könnte sich ändern. Die Gießener Forscher arbeiten auf eine Schluckimpfung für Neugeborene hin. Sie soll bewirken, dass das Immunsystem mit genetischer Veranlagung für Zöliakie Gluten tolerieren lernt, sobald es ihm das erste Mal begegnet. Etwa im sechsten Lebensmonat, wenn zum ersten Mal Beikost gefüttert wird.

Wenn Gluten im Magen verdaut wird, entstehen daraus verschiedene Substanzen - darunter Gliadin-Peptide. Diese sollten von bestimmten weißen Blutkörperchen („T-regulatorische Zellen“) im Darm erkannt und als harmlos etikettiert werden. Bei Zöliakie-Kranken aber regen die Gliadin-Partikel stattdessen andere Abwehrzellen in der Darmschleimhaut zur Überreaktion an: Diese produzieren Antikörper gegen die harmlosen Getreidebestandteile.

Zimmers Arbeitsgruppe will also beim Tête-à-tête mit den richtigen T-Zellen nachhelfen. Dazu koppelten die Forscher ein Gliadin-Peptid an ein Molekül an, das als Lotse fungiert. Es hat Oberflächenstrukturen, die in Bereichen der Darmschleimhaut andocken, wo sich T-regulatorische Zellen tummeln. Im Tierversuch klappte es bereits, die Partner auf diese Weise zu verkuppeln.

Klaus-Peter Zimmer besitzt schon ein Patent auf den Peptid-Einschleuser. Jetzt muss er nur noch zeigen, dass das Fusionsmolekül auch wirklich unschädlich ist. Dann könnten klinische Studien am Menschen folgen. Übereilte Hoffnungen dämpft der Chefarzt: „Das dauert sicher noch einige Jahre, aber es ist bisher die einzige Therapie, die verspricht, diese Erkrankung zu heilen.“