Geburtenrate weltweit gesunken, Weltbevölkerung wächst dennoch weiter - Lebenserwartung gestiegen - Zweifel an den Daten
bevölkerungswachstum, grafik
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Wien - Am 31. Oktober 2011 wird der sieben Milliardste Mensch geboren. Die Weltbevölkerung ist somit innerhalb von nur zwölf Jahren um eine Milliarde Menschen gewachsen. Im heute, Mittwoch, veröffentlichten UNO-Weltbevölkerungsbericht markieren die sieben Milliarden einen Meilenstein für Errungenschaften, Rückschläge und Widersprüche.

"Obwohl Frauen heute im Durchschnitt weniger Kinder haben als in den 1960er Jahren, steigt die Zahl der Menschen auf der Erde weiterhin an", heißt es im UNO-Weltbevölkerungsbericht 2011. Dem zu Folge seien mehr Menschen jünger - und mehr Menschen älter - als je zuvor. Während in manchen der ärmsten Länder anhaltend hohe Fruchtbarkeitsraten die Entwicklung behindern, ließen wiederum die niedrigen Geburtenraten in einigen der wohlhabendsten Länder einen Mangel an jungen Arbeitskräften und die Frage nach der Tragbarkeit von sozialen Sicherungssystemen aufkommen.

Durchschnittliche Lebenserwartung 68 Jahre

Die Trends in der Weltbevölkerung über die letzten sechs Jahre seien dennoch erfreulich. Dies gelte insbesondere für den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung von 48 Jahren Anfang der 1950er Jahre auf rund 68 Jahre im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Nahezu die Hälfte der sieben Milliarden Menschen auf der Erde sei 24 Jahre oder jünger, heißt es im Bericht. Die Säuglingssterblichkeit sei von 133 Todesfällen pro 1.000 Lebendgeburten in den 1950er Jahren auf 46 pro 1.000 Lebendgeburten im Zeitraum 2005 bis 2010 gesunken.

Impfkampagnen haben weltweit zu einem drastischen Rückgang vieler Kinderkrankheiten geführt. Im selben Zeitraum sei die durchschnittliche Kinderanzahl pro Frau um über die Hälfte von 6,0 auf 2,5 zurückgegangen. Diese Entwicklung sei zum Teil auf das Wirtschaftswachstum und die fortschreitende Entwicklung in vielen Ländern zurückzuführen, zum Teil aber auch auf soziale und kulturelle Einflüsse sowie auf einen verbesserten Zugang von Frauen zu Bildung, Arbeitsmöglichkeiten und "Diensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit", einschließlich moderner Verhütungsmethoden. (Diese Dienste umfassen die Diagnose und Behandlung von Geschlechtskrankheiten und Betreuung während der Schwangerschaft ebenso, wie Beratung über und Durchführung von verschiedenen reproduktionshindernden Maßnahmen, einschließlich Abtreibungen und Sterilisationen, Anm.)

Wachstum bringt Herausforderungen für arme Länder

Dennoch wachse die Weltbevölkerung jährlich nach wie vor um gut 78 Millionen Menschen, heißt es im Bevölkerungsbericht. Dieses anhaltend starke Wachstum gehe auf die hohen Geburtenraten der 1950er und 1960er Jahre zurück. Bis 2050 werde ein weiterer Anstieg der Weltbevölkerung auf 9,3 Milliarden und bis Ende des Jahrhunderts auf über zehn Milliarden Menschen vorausgesagt.

Die Geschwindigkeit des Wachstums bringe enorme Herausforderungen für viele der ärmsten Länder mit sich. Es mangle an Ressourcen, um den steigenden Bedarf an Infrastruktur, Gesundheits- und Bildungsleistungen und Arbeitsplätzen zu decken, besagt der UNO-Weltbevölkerungsbericht. Die Stabilisierung der Bevölkerung, vor allem in den ärmsten Ländern, erfordere einen besseren Zugang zu Familienplanung. Diese Dienstleistungen müssen "auf Menschenrechten gründen" und die Sexualaufklärung junger Menschen, insbesondere heranwachsender Mädchen, einschließen.

Stärkung der Frauen wichtig

In den Industrieländern liege die durchschnittliche Fertilitätsrate bei etwa 1,7 Kindern pro Frau, in den am wenigsten entwickelten Ländern bei etwa 4,4. In den Ländern Afrikas südlich der Sahara bekomme eine Frau im Durchschnitt 5,1 Kinder. Hohe Geburtenraten bedeuten für einige Länder hohe finanzielle, gesundheitliche und soziale Kosten. Insbesondere Frauen, die in Abständen von weniger als zwei Jahren schwanger werden, seien geschwächt und anfällig für Krankheiten.

Die Stärkung von Frauen sei eine entscheidende Voraussetzung dafür, das Bevölkerungswachstum auf der Basis persönlicher Entscheidungen - und nicht staatlicher Vorschrift - zu stabilisieren. Laut UNO haben in den Entwicklungsländern noch heute an die 215 Millionen Frauen keinen Zugang zu Familienplanung. Noch immer sterben Hunderttausende Frauen pro Jahr an den Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt. Viele dieser Todesfälle wären vermeidbar.

Asien bleibt bevölkerungsreichste Region

In Europa hingen sei man nicht über das Bevölkerungswachstum, sondern über die niedrigen Geburtenraten alarmiert. In einigen Ländern werde versucht, die Geburtenrate mit Hilfe finanzieller Anreize zu erhöhen.

Asien werde auch während des 21. Jahrhunderts die bevölkerungsreichste Großregion der Welt bleiben. Dort leben heute 60 Prozent der Weltbevölkerung. Afrika werde jedoch stark aufholen. Seine Bevölkerung werde sich von derzeit einer Milliarde Menschen bis zum Jahr 2100 auf 3,6 Milliarden Menschen mehr als verdreifachen. Die Bevölkerung der Regionen Nord- und Südamerika, Europa und Ozeanien liege derzeit bei 1,7 Milliarden Menschen. Sie werde Hochrechnungen zufolge bis 2060 auf knapp zwei Milliarden wachsen und bei einem sehr langsamen Rückgang bis 2100 ungefähr auf diesem Niveau verharren. Die Bevölkerung in Europa dürfte um 2025 ihren Scheitelpunkt mit 520 Millionen Einwohnern überschreiten und danach zurückgehen.

Zweifel an den Daten

Doch es gibt auch Zweifel an den Daten. Wolfgang Lutz und sein Kollege Sergei Scherbov vom Institut für Demografie der ÖAW und vom Weltbevölkerungsprogramm des Iiasa in Laxenburg vermuten im Fachblatt New Scientist, dass die UNO aus politischem Druck die großen Unsicherheiten rund um die Bevölkerungszahlen und einige rezente Entwicklungen nicht berücksichtige. Nach ihren Berechnungen werde das siebenmilliardste Baby wohl nicht vor Anfang 2013 geboren werden.

APA, red