Einen direkten Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Wohnort belegt eine neue US-Studie. Arme Frauen, die in einem reicheren Umfeld leben, leiden demnach seltener an Diabetes oder Übergewicht.

Sage mir, wo Du lebst, und ich sage Dir, wie es Dir geht: Der Wohnort eines Menschen hat großen Einfluss auf dessen Gesundheitszustand, wie eine US-Untersuchung zeigt. Demnach leiden Frauen aus der Unterschicht, die in einer besseren Wohngegend leben, weitaus seltener an Übergewicht und Diabetes. "Die Studie zeigt, dass die Konzentration von Armut nicht nur eine schlechte Politik ist, sondern auch schlecht für die Gesundheit", erklärte der amerikanische Bauminister Shaun Donovan.

Grundlage der Studie, die kürzlich im Fachblatt New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, ist ein großangelegtes Sozialexperiment aus den 1990er Jahren. Damals, zwischen 1994 und 1998, wurden in den Städten New York, Los Angeles, Chicago, Boston und Baltimore knapp 5.000 alleinerziehende Frauen mit Kindern aus der Unterschicht zufällig ausgewählt. Etwa 1.800 von ihnen erhielten einen Zuschuss für eine Wohnung in einer Mittelklasse-Wohngegend. Bedingung war, dass sie dort mindestens ein Jahr lang leben sollten. Die anderen erhielten entweder ein Wohnungsgeld, das nicht an Bedingungen geknüpft war, oder gar nichts.


In den Jahren 2008 bis 2010 beschäftigten sich Wissenschaftler um den Politologen Jens Ludwig von der Universität von Chicago mit dem Gesundheitszustand der Frauen. Sie stellten unter anderem den Body Mass Index (BMI) fest und überprüften die Blutwerte. Ergebnis: Die Frauen, die in eine bessere Gegend umgezogen waren, litten seltener an Diabetes als die der Vergleichsgruppe (16 Prozent zu 20 Prozent) und hatten seltener Übergewicht (14 Prozent zu 18 Prozent).

Experiment könnte am Geldmangel scheitern

Die Studie biete eine gute Grundlage, um Rückschlüsse zu ziehen über Ursache und Wirkung von Armut und schlechter Gesundheit, erklärte der Kardiologe Robert Califf von der Duke-Universität in Durham im US-Staat North Carolina, der selbst eine Untersuchung zu dem Thema leitet. Sozialexperten gehen bereits seit längerem von einem Zusammenhang zwischen Wohnort und Gesundheit aus. Niemand erwartet allerdings, dass die US-Regierung das Experiment fortsetzt - es fehlt ganz einfach das Geld. Die Kosten für das Projekt beliefen sich auf knapp 100 Millionen Dollar, die zum Teil von den Städten, zum Teil von Bundeseinrichtungen und privaten Stiftungen aufgebracht wurden.

"Es reicht nicht aus, Familien einfach in andere Wohngegenden umzusiedeln", sagte Donovan. Statt dessen müssten andere Wege gefunden werden, gegen "Armut, die krank macht" vorzugehen. Konkrete Vorschläge machte er nicht.

dapd, N24