Nach dem Vorbild der Occupy-Bewegung in New York wollen Kapitalismuskritiker in Berlin ebenfalls Zeltlager aufbauen. In der Nähe der O2 World wurde ein Camp von der Polizei geräumt.
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© dpaEinige Demonstranten hatten sich mit Masken verkleidet, die zum Symbol der Occupy-Bewegung geworden sind.

Kapitalismus-Kritiker in Berlin wollen nach dem New Yorker Vorbild ihren Protest ausdehnen und mehrere Zeltlager in Berlin errichten. Doch mussten am Sonntagnachmittag zwei Zelte an der Spree in der Nähe der O2-World in Friedrichshain wegen Polizeiauflagen wieder abgebaut werden, wie Teilnehmer berichteten.

Dort demonstrierten rund 20 Personen gegen die Macht der Banken und forderten mehr direkte Demokratie. Ein Polizeisprecher sagte, das Aufbauen von Zelten an dieser Stelle sei nicht erlaubt.

Die Bewegung, die sich nach eigener Darstellung „Occupy Friedrichshain“ nennt, will in den nächsten Tagen ein weiteres Zeltlager in Friedrichshain aufbauen. Ein konkreter Ort wurde nicht genannt. Doch wies die Polizei bereits darauf hin, dass es sich bei der ungenehmigten Nutzung öffentlicher Flächen sich um eine Ordnungswidrigkeit handle.

Zeltprotest in Mitte

Unterdessen stehen 13 Zelte seit drei Tagen schon an der evangelischen Kirche St. Petri in der Klosterstraße in Mitte. Dort hat der zuständige Pfarrer das vorübergehende Zelten nach Angaben von Teilnehmern des Camps erlaubt. Zwischen zehn und 50 Personen halten sich den Angaben zufolge dort auf.

Die Teilnehmer kritisierten, dass mehrere Anträge auf öffentliches Zelten in Berlin bislang abgelehnt wurden. Ein weiterer Versuch zum Aufbau eines Zeltlagers auf dem Marx-Engels-Forum in Mitte war nach Angaben von Teilnehmern am Sonnabend von der Polizei verhindert worden.

Vorbild ist ein Camp der „Occupy Frankfurt“-Bewegung vor der Europäischen Zentralbank, wo seit mehreren Wochen protestiert wird. Eigentlich sollten die rund 70 Zelte an diesem Wochenende abgebaut werden. Camp-Teilnehmer sagten, der Rückhalt aus der Bevölkerung sei aber nach wie vor groß. Daher werde das Camp zwei Wochen länger stehen bleiben als ursprünglich geplant.

Die Occupy-Bewegung ist international aktiv. Sie kämpft gegen die Macht der Banken und fordert mehr Demokratie. Die Initiative versteht sich als internationaler Ableger der New Yorker Wall-Street-Besetzer und organisierte die weltumspannenden Proteste.

Friedlicher Protest in Mitte

Am Sonnabend hatten rund 1000 Menschen friedlich gegen die Finanz- und Wirtschaftspolitik der westlichen Welt demonstriert. Die Veranstalter sprachen von 3000 Teilnehmern. Initiiert worden war der Protestmarsch von einem Bündnis aus rund 30 Organisationen, Parteien und Gewerkschaften unter dem Motto „Die Krise heißt Kapitalismus“. Der Aufzug mit teilweise fantasievoll kostümierten Demonstranten zog vom Roten Rathaus zur Dorotheenstraße.

Auf dem Platz der Republik in Tiergarten versammelten sich nach Polizeiangaben rund 250 Protestierende unter dem Motto „Occupy Berlin“. Später stießen Demonstranten des kaptialimuskritischen Aufzugs zu ihnen. Größere Zwischenfälle gab es nach Angaben des Polizeisprechers nicht. Insgesamt waren am Sonnabend bei diesen und weiteren kleineren Demonstrationen 500 Beamte im Einsatz. Es seien sechs Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden, unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, sagte ein Sprecher am Sonntag.

"Das Leben ist kein Bonihof“

"Uns geht es nicht nur um eine Begrenzung der Macht von Banken“, sagte der Sprecher des Bündnisses. „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, Michael Prütz. Er nannte als weitere Forderung unter anderem radikale Arbeitszeitverkürzunen mit vollem Lohnausgleich, einen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und die Vergesellschaftung der Banken.

Hinter diesen Forderungen stehen Prütz' Angaben zufolge unter anderem Gewerkschaften, das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Partei Die Linke. Unterstützt werden auch die Forderungen der Occupy-Bewegung.

Teilnehmer der Demonstration forderten in Sprechchören „Brecht die Macht der Banken und Konzerne“ und „Occupy Bundestag“ . Auf Transparenten waren Sprüche zu lesen wie „Das Leben ist kein Bonihof“, „Wir sind nicht empört, sondern wütend“ und „Hör mir uff mit den Banken“.

Im Anschluss an die Demonstration zogen der Polizei zufolge rund 200 Teilnehmer zum Bundestag, der mit Gittern weiträumig abgesperrt war. Die Demonstranten versammelten sich zeitweise auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude.

Mehr Resonanz bei Verschärfung der Euro-Krise erwartet

In Berlin hatte es bereits den dritten Sonnabend in Folge Demonstrationen von Kapitalismuskritikern gegeben. Die Zahl der Teilnehmer blieb allerdings unter denen der Kundgebung vor zwei Wochen mit 10.000 Menschen. Vergangenen Sonnabend waren es mehrere hundert.

Michael Prütz rechnet mit größerer Resonanz, „wenn sich die Euro-Krise verschärfen wird“. Er kündigte eine weitere Demonstration für den 12. November an. An diesem Tag sollen nach seinen Vorstellungen „viele Tausend den Reichstag umzingeln“. Zugleich äußerte sich Prütz kritisch zum Umgang der Polizei mit Demonstranten. Er sprach von „unsinnigen Auflagen“ und der Beschlagnahme von Transparenten und fügte hinzu: „Wir werden uns genau überlegen, ob wir zukünftige Demonstrationen überhaupt noch anmelden“.

dapd/mim