Kaum wird es dunkel, kriechen sie die Wände hoch. Sie zwängen sich in jede Ritze, verströmen einen widerlichen Geruch und zerren an den Nerven der Hausbewohner: Tausendfüssler treiben in mehreren Schweizer Dörfern ihr Unwesen. Rasche Abhilfe ist nicht in Sicht.
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© naturgucker.deFeldschnurfüssler.

Mit der Tausendfüssler-Plage kämpfen Familien in mehreren Bündner Gemeinden und ein ganzes Quartier im bernischen Seedorf. Weitere Fälle gibt es in den Kantonen St. Gallen und Schaffhausen, wie Annette Imboden aus Flims Dorf GR am Montag der Nachrichtenagentur sda sagte.

Günstige Konstellation

Imboden gehört seit vier Jahren zu den Opfern der Plage. Mit dem Kälteeinbruch hat sich die Lage etwas gebessert, doch in wärmeren Monaten wischt sie täglich bis zu zwei Kilo Insekten von den Wänden.

Die Tiere setzen sich zur Wehr, indem sie ein übel riechendes Sekret mit Blausäure verströmen. Doch bereits am nächsten Abend sind wieder Abertausende der Tiere da. "Woher die kommen, weiss ich nicht", sagt Imboden.

Sie suchte Rat bei Experten. Der Plaggeist ist ein Gemeiner Feldschnurfüssler, dessen starkes Aufkommen begünstigt wird durch eine Konstellation von günstigem Nahrungsgebot und geeigneten klimatischen Bedingungen. Ein Patentrezept hatten die Fachleute allerdings nicht auf Lager.

Viele Todesarten

Das Schweizer Fernsehen griff das Thema auf, worauf sich weitere genervte Tausendfüssler-Opfer aus mehreren Kantonen meldeten. Ihre Abwehrstrategien sind unterschiedlich. Manche Hausbesitzer übergiessen die Tiere mit Benzin und verbrennen sie, andere fackeln sie direkt mit dem Gasbrenner ab.

Eine Hausfrau im grenznahen Österreich machte gute Erfahrungen mit Klebebändern an den Hauswänden. Das hat allerdings den Nebeneffekt, dass auch andere Tiere einen grausamen Tod sterben.

Erfolge mit Streusalz

Im bernischen Seedorf fand ein Hausbesitzer heraus, dass Streusalz den Chitinpanzer der Tiere angreift und dieses tötet. Das freut auch die Gemeinde, die den Familien im etroffenen Quartier nun Gratis-Streusalz zur Verfügung stellt, wie das Bieler Tagblatt berichtete.

Für die Flimserin Annette Imboden ist das keine Lösung. "Das Streusalz macht auch das Gras kaputt, meine Haustiere leiden darunter, und die Schuhe tragen das Salz ins Haus, wo es Flecken verursacht." Sie setzt sich ein, dass die Behörden der betroffenen Kantone gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Behörden noch nicht tätig

Das Engagement der zuständigen Ämter hielt sich bislang in Grenzen, denn der Tausendfüssler gilt nicht als Schädling. Er ernährt sich von abgestorbenen Pflanzenteilen, Früchten sowie Algen und Flechten. Die Fachwelt misst ihm deshalb eine hohe bodenbiologische Bedeutung zu.

Treten die Tiere so gehäuft auf wie in Flims und Seedorf, können sie zwar durchaus Schaden zum Beispiel an Pflanzenwurzeln anrichten. Trotzdem gehört der Tausendfüssler etwa im Kanton Bern nicht zu den bekämpfungspflichtigen Tieren.

Bauliche Massnahmen

"Tausendfüssler sind allenfalls eine Plage fürs Auge, sie stören viele Menschen", räumt der Bündner Fachmann Sebastian Clement auf Anfrage ein: "Aber sie machen nichts kaputt."

Seiner Meinung nach helfen weder Gift noch Streusalz noch andere Mittel wirklich weiter. Für den nachhaltigen Schutz vor den Tieren müsse man jeden einzelnen Fall betrachten und dann geeignete bauliche Veränderungen vornehmen. Geeignete Massnahmen seien etwa "Kanäle, Abschrankungen, ein Aushub oder eine Sickerleitung".

sda/blu