Was Experten bei der Dunkelziffer bislang unentdeckter Diabetesfälle vermuten, belegt eine neue Studie aus Dresden Die Ergebnisse der Silent-Diabetes-Studie sind kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Diabetologia erschienen
Insulin spritzen
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Die Stiftung DHD (Der herzkranke Diabetiker), die Forschergruppe Diabetes e.V. am Helmholtz-Zentrum München und das forschende Unternehmen Roche542 Diagnostics haben die Studie unterstützt. Die Daten wurden in der Praxisklinik Herz und Gefäße in Dresden erhoben. Bei über 1000 Herzkatheter-Patienten haben die Kardiologen mit einem Zuckerbelastungstest, dem so genannten OGTT (Oraler Glukose-Toleranz-Test), und mit ergänzender Bestimmung des HbA1c-Wertes nach Störungen im Zuckerstoffwechsel gesucht. Patienten mit einem bekannten Diabetes waren von der Studie ausgeschlossen. Beim OGTT wird der Blutzucker nüchtern und nach Zufuhr einer Glukoselösung im venösen Plasma gemessen. Liegt der Blutzuckerwert nüchtern über 126 mg/dl (über 7,0 mmol/l) und zwei Stunden nach dem OGTT über 200 mg/dl (über 11,1 mmol/l), gilt die Diagnose Diabetes als gesichert. Der HbA1c als Langzeitblutzuckerwert gibt Auskunft über die Qualität der Blutzuckereinstellung im letzten Quartal. Ein Wert über 6,5% (über 48 mmol/mol) ist ein Hinweis für Diabetes.

'Fast die Hälfte der untersuchten Patienten im Herzkatheterlabor hat ein Risiko für Störungen im Zuckerstoffwechsel', fasst der Kardiologe Dr. Rolf Dörr aus Dresden die Studienergebnisse zusammen.

Dabei sei der OGTT verlässlicher in der Aussagekraft als die alleinige Bestimmung des HbA1c. Beim Zuckerbelastungstest lag der Anteil von Patienten mit Vorstufen zur Erkrankung bei 49 Prozent. Bei 14 Prozent der Herzpatienten konnte Diabetes neu diagnostiziert werden. Im Gegensatz dazu hatten mit HbA1c-Bestimmung knapp 40 Prozent einen auffälligen Befund. Bei nur 4 Prozent konnte Diabetes erstmals nachgewiesen werden.

'Der Schweregrad einer Herzerkrankung hängt auch vom Status der Blutzuckerlage ab', betont Studienleiter Dr. Rolf Dörr aus Dresden. Den Zusammenhang belegen die Daten aus dem Zuckerbelastungstest, nicht die Ergebnisse der Bestimmung vom Langzeitblutzuckerwert. 'Beim HbA1c handelt es sich um einen Durchschnittswert', sagt Prof. Dr. Dr. Diethelm Tschöpe aus Bad Oeynhausen, Vorsitzender der Stiftung DHD. 'Werden hohe Werte über niedrige Werte ausgeglichen, liegt der HbA1c zwar im Zielbereich, die Stoffwechsellage kann aber trotzdem instabil sein'. Der Anstieg des Blutzuckers nach einer Mahlzeit könne damit nicht erfasst werden, sondern nur mit dem OGTT. Für die Prognose von Patienten, die am Herzen erkrankt sind, spielen diese Glukose-Peaks eine Rolle. Sie fördern die Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) und richten Schäden an Gefäßen und Organen an.

Bei allen kardiologischen Patienten sollte deshalb routinemäßig ein OGTT durchgeführt werden, um Störungen im Zuckerstoffwechsel frühzeitig zu erkennen. Davon hängt auch die Wahl der weiteren Therapie ab. So sollten bei herzkranken Patienten mit Diabetes nur Medikamenten-beschichtete Stents (DES: Drug-eluting Stents) zum Einsatz kommen. Liegt eine fortgeschrittene koronare Mehrgefäßerkrankung bei Diabetikern vor, kann mit der Bypass-Operation eine bessere Prognose verbunden sein.