Bestnoten für Plagiate? Das soll es nicht mehr geben. Der Wissenschaftsrat plädiert dafür, Dissertationen künftig meist nur noch als "bestanden" auszuweisen. Außerdem sollen externe Gutachter eine größere Rolle bei der Bewertung von Doktorarbeiten spielen. Doch viele Professoren sind skeptisch - sie fürchten um die Unabhängigkeit der Hochschulen.

Für Doktorarbeiten sollen nach dem Willen des Wissenschaftsrats neue Regeln gelten. Die bisher übliche Notenskala soll entfallen. Auch in anderen Ländern, etwa in Großbritannien, werde nur zwischen "bestanden" und "nicht bestanden" unterschieden.

Für herausragende Arbeiten könnten die deutschen Universitäten allerdings weiterhin den Zusatz "mit besonderem Lob" vergeben. Um diese Auszeichnung zu erteilen, müsste aber ein dritter, externer Gutachter herangezogen werden, empfiehlt der Wissenschaftsrat.

Der Wissenschaftsrat reagiert mit seinen am Montag vorgestellten Forderungen auf die Guttenberg-Affäre und die zahlreichen Plagiatsfälle, die die Universitäten derzeit belasten. Dem Wissenschaftsrat gehören außer Professoren auch die Wissenschaftsminister der Länder und Vertreter der Bundesregierung an. Seine Empfehlungen haben großes Gewicht, sind allerdings nicht bindend für die Fakultäten, die in Deutschland über die Promotionsverfahren entscheiden.

Bisher werden Promotionen meist nur von zwei Hochschullehrern bewertet, die zudem in der Regel aus derselben Universität kommen. Die Betreuer ("Doktorväter"/"Doktormütter") sind automatisch die Erstgutachter der Dissertation. Das müsse sich langfristig ändern, verlangt das Gremium, das Politik und Hochschulen berät.

Vorteilhaft sei eine "Trennung von Betreuung und Bewertung". Viele Professoren betrachten Reformen bei der Promotion mit Skepsis. So warnt der Bayreuther Rechtsprofessor Oliver Lepsius davor, die Autonomie der Hochschullehrer zu beschneiden.

Doktorgrad nur bei Erkenntnisfortschritt

Der Rat mahnt dagegen, die Auswahlkriterien bei der Annahme von Doktoranden transparenter zu machen und weniger ins Belieben einzelner Professoren zu stellen. Nötig sei eine stärkere "kollegiale Verantwortung". Dabei schwebt dem Wissenschaftsrat neben Graduiertenkollegs auch die Einrichtung eines "Thesis Committee" vor, wie es in den USA üblich ist.

Dem Komitee gehören mehrere Wissenschaftler an, die den Doktoranden inhaltlich begleiten und die Arbeit des Hauptbetreuers ergänzen. Bei Konflikten könne das Komitee als "Schiedsstelle" fungieren. Befürwortet werden zudem "Betreuungsvereinbarungen". Darin werden unter anderem Fristen gesetzt, zu denen der Doktorand über den Fortschritt der Arbeit informiert.

Der Rat wendet sich zwar nicht grundsätzlich gegen die in Deutschland verbreiteten und in den USA unüblichen "externen Promotionen" von Berufstätigen, die nicht an der Uni arbeiten. Er hält diese Promotionen aber für besonders risikoreich und dringt auf eine bessere Anbindung dieser Doktoranden an den Lehrstuhl. Außerdem mahnt er, es bei der Zahl der von einem Professor begleiteten Promotionsstudenten nicht zu übertreiben, weil sonst die Qualität der Betreuung leide.

Auf die Probleme in einzelnen Disziplinen geht der Wissenschaftsrat mit Ausnahme der Medizin nicht ein. Zwar gebe es anspruchsvolle medizinische Dissertationen - "in der weit überwiegenden Zahl der Fälle" entsprächen sie jedoch nicht den Standards anderer naturwissenschaftlicher Fächer. Deshalb empfiehlt das Gremium, den Doktorgrad in Medizin nur für solche Dissertationen zu verleihen, die wirklich einen Erkenntnisfortschritt bringen und die in guten Fachzeitschriften veröffentlicht werden.

Der Wissenschaftsrat plädiert dafür, einen einheitlichen Status für Doktoranden zu schaffen und so einen besseren Überblick über laufende Promotionen zu erhalten. In Deutschland schließen jedes Jahr etwa 25.000 Akademiker eine Promotion ab. Doch wie viele zu einem Zeitpunkt daran arbeiten, ist unklar.

SZ vom 15.11.2011/gal