Psychologie.- Wer sein Gegenüber verständnisvoll annickt, gilt als aufgeschlossen, verschränkt jemand die Arme, hält man ihn meist für verschlossen. Kanadische Forscher haben untersucht, ob bestimmte genetische Abweichungen die Gesten des Menschen so sehr beeinflussen, dass unbeteiligte Beobachter den Unterschied erkennen.

Eine Frau sitzt ihrem Mann gegenüber. Dieser erzählt davon, wie vor ein paar Monaten seine Patentante starb. Die Trauer ist ihm anzumerken, er hing an der Tante. Ihr Sterben hat er hautnah miterlebt.

"Da sitzt man also, und hört seinem Partner zu, wie er von seinem Schmerz berichtet. Wir haben uns gedacht: das ist eine perfekte Situation, um zu testen, wie mitfühlend jemand reagiert. Wir haben uns also den Zuhörenden in dieser Situation ganz genau angeschaut."

Aleksandr Kogan ist Psychologe an der Universität Toronto. 23 Paare hat er gebeten, bei seinem Versuch mitzumachen. Ein Partner berichtete dabei von einer leidvollen Erfahrung, eine Videokamera zeichnete auf, wie sein Gegenüber reagiert.

"Wir schnitten aus den Aufnahmen 20 Sekunden heraus, löschten die Tonspur, und zeigten diese kurzen Stummfilmchen dann 1000 Probanden, die die Person im Film nicht kannten, völligen Fremden also."

Jeder der 100 Probanden bewertete die zuhörende Person, die er sah: wie vertrauenswürdig ist dieser Mensch? Wie mitfühlend, wie freundlich? Aleksandr Kogan wollte wissen, woran die Probanden ihr Urteil orientierten. Deshalb hatte er das Verhalten der Zuhörenden genau protokolliert: wie oft hatten sie genickt, wie oft suchten sie Blickkontakt, wie zugewandt war ihre Körperhaltung? Das Ergebnis: Diese kleinen, häufig unbewusst wahrgenommenen Gesten waren für das Urteil der Probanden offenbar entscheidend. Je öfter jemand etwa nickte, umso eher galt er als vertrauenswürdig. Die nächste Frage, die Aleksandr Kogan sich stellte, war: Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen wahrnehmbaren Verhaltensunterschieden und der genetischen Disposition eines Menschen?

"Es gab davor schon eine Handvoll von Studien, die gezeigt haben, dass Menschen mit einer ganz bestimmten Genvariante sich selbst als empathischer einstufen als Menschen mit einer anderen Variante. Es geht dabei, im Fachjargon ausgedrückt um die Varianten G und A des OXTR-Gens. Wir wollten wissen, ob dieser genetische Unterschied sich auch im Verhalten nach Außen so deutlich zeigt, dass Fremde das wahrnehmen können."

Tatsächlich stuften die Probanden Zuhörende mit Variante G durchweg als sensibler und zugewandter ein als jene mit Variante A. Die biologische Erklärung dafür lautet: G und A sind Varianten eines bestimmten Hormonrezeptors. Der ist im Körper dafür zuständig, Oxycotin zu binden. Oxytocin wiederum ist ein Botenstoff, der für vertrauensvolles Handeln wichtig ist. Ist der Rezeptor für dieses Hormon gestört, wie eben bei Menschen mit Variante A, kann das Hormon seine Wirkung nicht voll entfalten.

"Das ist also ein Defekt im System, Oxytocin kann nicht mehr so stark wirken. Die Leute mit Variante A können zwar immer noch den Schmerz ihres Partners wahrnehmen und mitfühlend reagieren, aber es ist offenbar schwerer für sie. Dieser Unterschied ist so groß, dass er für Unbeteiligte wahrnehmbar ist."

Studien, die an Ratten oder Mäusen zeigen, wie wichtig Oxytocin für das soziale Verhalten ist, gibt es inzwischen einige. Studien an Menschen sind noch rar, sagt Michael Poulin, Psychologe an der Universität von Buffalo, daher sei die Studie aus Toronto wichtig. Doch ihm fehlt eine Abschätzung, wie stark der Einfluss dieser einen Genvariante auf das Verhalten ist.

"Ich würde schätzen, dass es nur einen relativ kleinen Anteil ausmacht, vielleicht fünf Prozent. Andere Faktoren sind auch wichtig: andere Gene, genauso wie Erfahrungen und Zufälle. Bis jetzt hat jedenfalls noch keiner das eine Gen gefunden, das allein für sich genommen unser Verhalten festlegen würde."

Die Studie aber mache einmal mehr deutlich, dass soziales Verhalten im genetischen Programm des Menschen vorgesehen und angelegt sei:

"Auf einer sehr tiefliegenden genetischen Ebene ist die Fähigkeit zu sozialem Verhalten im Menschen angelegt. Menschen sind von Grund auf sozial."