Berlin - Überraschende Wende bei den Ermittlungen zum Polizistenmord von Heilbronn: Im Fall der mutmaßlich von der Zwickauer Neonazigruppe ermordeten Polizistin Michele K. geht das Bundeskriminalamt (BKA) nun offenbar von einer gezielten Tat aus. Es gebe Bezüge zwischen der Tat des Trios und der aus Thüringen stammenden Polizistin, sagte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland mit Berufung auf Erkenntnisse der Ermittler nach einer Sitzung des Bundestagsinnenausschusses. Es könne sich auch um einen "Racheakt" gehandelt haben. Die Regierung erwägt Entschädigungen für Familienangehörige.

Bislang waren keine Bezüge zwischen der Polizistin und den mutmaßlichen Tätern bekannt gewesen. Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern ging es um die Anmietung einer von der Familie der Polizistin in Thüringen betriebenen Gaststätte durch Rechtsextreme. Die Veranstaltung der Rechtsextremisten sei aber nicht zustande gekommen. Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte, es gebe "Hinweise, die nicht an Zufälle glauben lassen". Die Polizistin war 2007 erschossen worden, ihr Kollege wurde schwer verletzt.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die inhaftierte Beate Z. haben die Behörden nach Angaben Friedrichs "rund ein Dutzend" Verdächtige und Beschuldigte im Visier. Der Innenausschuss hatte sich in einer mehrstündigen Sitzung mit den Ermittlungen gegen die Neonazigruppe und den Pannen der Ermittlungsbehörden befasst. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe in der Sitzung offen und ehrlich eine "Niederlage für die Sicherheitsbehörden" eingeräumt, sagte der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann. Das Neonazi-Trio neben dem Mord an der Polizistin auch für bundesweit neun Morde an Migranten verantwortlich sein.

Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) sagte mit Blick auf die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden nach dem Abtauchen des Trios vor 13 Jahren, ihm sei noch nie eine "solche Fülle von Fehlern" begegnet. Bosbach betonte, der Vorschlag des Innenministers, als Konsequenz aus der rechten Terrorserie ein Abwehrzentrums gegen Rechtsterror zu schaffen sowie eine Verbunddatei mit Erkenntnissen über rechtsextremistische Täter einzuführen, habe im Ausschuss Unterstützung gefunden.

Derweil entdeckten Ermittler nach Informationen der Bild-Zeitung eine weitere Behördenpannen bei den Ermittlungen im Fall der Gruppe. Offenbar habe das Trio Uwe M., Uwe B. und Beate Z. einen Ausweis mit einem falschen Lichtbild und einer falschen Unterschrift manipuliert, berichtete das Blatt. Mit dieser Fälschung habe die Gruppe einen Sachbearbeiter auf einem Meldeamt getäuscht und sich "echte" Ausweispapiere erschlichen, vermutlich einen Reisepass.

Der sächsische Verfassungsschutz wies unterdessen erneut Spekulationen zurück, er habe mit den drei Mitglieder der Neonazi-Zelle kooperiert. Laut Aussage des Landesverfassungsschutzes habe die Behörde "mit dem Thüringer Trio weder unmittelbar noch mittelbar zusammengearbeitet", erklärte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission in Sachsen, Günther Schneider (CDU), nach einer Sitzung des Gremiums.

Die angekündigte Entschädigung für die Angehörigen der Neonazi-Mordopfer soll aus einem Härtefallfonds im Haushalt von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gezahlt werden. Durch die Gewährung solcher Härteleistungen von womöglich 10.000 Euro pro Familienangehörigem soll nach Ministeriumsangaben ein Zeichen der Solidarität ermöglicht werden. Derzeit werde ein direkter Kontakt zu Hinterbliebenen gesucht, um mit den Angehörigen ins Gespräch zu kommen, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin.

AFP