Viele Menschen verlieren alters- oder krankheitsbedingt ihren Geruchssinn. Warum dies so ist, ist unklar. Doch eine aktuelle Studie lässt hoffen: Riechen kann trainiert und der Geruchssinn dadurch gerettet werden.

"Use it or lose it"

Alzheimer, Parkinson, Schizophrenie oder einfach nur das Älterwerden: Dies alles kann dazu führen, dass Menschen Gerüche schlechter wahrnehmen. Auch nach einer Erkältung kann der Geruchssinn durch Viren dauerhaft gestört sein. Ein Experiment mit Ratten zeigt jedoch, dass er sich trainieren und wieder verbessern lässt.

Dieser Effekt des Trainings wirkt aber auch in die umgekehrte Richtung. Wer seinen Geruchssinn nicht oft und bewusst benutzt, wenn er noch funktioniert, kann ihn verlieren. Die Ratten im Experiment konnten bei mangelnder Übung schließlich gewisse Gerüche nicht mehr unterscheiden.

Der Verlust des Geruchssinnes mag in vielen Fällen auf einem Schaden des Nervensystems beruhen. In manchen Fällen scheint jedoch dieser mangelnde Einsatz der Nase Schuld zu sein. "Dahinter scheint ein 'Verwenden-oder-verlieren'-Phänomen zu stecken, sagt dazu Studienautor Donald Wilson vom Langone Medical Center in New York und dem Emotional Brain Institute in Orangeburg bei New York.

Olfaktorischer Einheitsbrei

Spezifische Gerüche und damit das Training dieses Sinnes werden an mehreren Stellen eines Bereiches des Riechhirns abgebildet, haben Donald Wilson und seine Kollegin Julie Chapuis festgestellt. Einzelne Punkte auf dieser Gehirnregion wurden unterschiedlich angeregt, wenn die Tiere verschiedene Gerüche unterscheiden konnten.

Je nachdem, welchen Gerüchen die Tiere ausgesetzt waren, ergaben sich unterschiedliche Aktivitätsmuster. Bei Tieren, die keine Gerüche unterscheiden konnten, zeigte sich ein einheitliches Muster - gewissermaßen ein Einheitsbrei; so wie sich für die Tiere auch der Geruch präsentiert haben dürfte.

Direkt ins Hirn

Die Nervenbahnen, die beim Geruchssinn involviert sind, geben diesem eine anatomisch einzigartige Note, sagt Wilson. Denn bei den meisten Sinnen braucht es eine lange Kette an neuronalen Kontakten, bis der äußere Reiz von den Sensoren ins Gehirn gelangt.

Anders ist dies beim Riechen: Die Impulse von den Geruchsnerven in der Nase gehen zunächst in den Riechkolben. Von dort gehen die Signale direkt weiter in die verarbeitenden Gehirnregionen, in die Amygdala, wo auch Emotionen kontrolliert werden, und in den präfrontalen Cortex, einen Teil der Großhirnrinde, der auch für Wahrnehmung und Planung eine Rolle spielt. "Anders als bei der Information von Augen und Ohren, ist das Geruchssystem von der Hirnrinde nur zwei Verbindungen weit weg", sagt Wilson.

Genetischer Sinneswandel

Keine absichtliche Reparatur eines Sinnes, aber gewissermaßen einen natürlichen Abtausch gibt es bei Gehörlosigkeit. Sowohl bei Ratten wie auch Menschen scheint der Verlust des Gehörsinns mit einem verbesserten Tastsinn einherzugehen, wie Wissenschaftler um Gary Lewin vom Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin der Freien Universität Berlin herausgefunden haben.

Verantwortlich dafür scheint das Gen KCNQ4 zu sein. Es ist für das Entstehen bestimmter Ionenkanäle im Ohr zuständig. Ionenkanäle sind Proteine in der Zellmembran, durch die Ionen in und aus den Zellen wandern, was die Funktion von Zellen steuert. Das untersuchte Gen trägt die Informationen für Kanäle, die in Haarzellen des Innenohrs das Element Kalium durch Zellwände schleusen.

Das gleiche Gen ist in Nervenenden von Haarfollikeln und mechanischen Rezeptoren, den Meissner-Körperchern, aktiv. Dort dämpft es diese Rezeptoren, die sich schnell an mechanische Signale anpassen. Taube Menschen nehmen daher bestimmte mechanische Reize, nämlich Schwingungen mit niedriger Frequenz, besser wahr.

Die Studien:
"Bidirectional plasticity of cortical pattern recognition and behavioral sensory acuity" und "KCNQ4 K+ channels tune mechanoreceptors for normal touch sensation in mouse and man" sind in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Neuroscience erschienen.