Koblenz - Fast jeder zweite Koblenzer muss seine Wohnung räumen, wenn Koblenz die größte Evakuierungsaktion der Stadtgeschichte einleitet: 45 000 Bürger sind betroffen, wenn am Sonntag, 4. Dezember, eine Luftmine im Rhein bei Pfaffendorf entschärft wird. Ein großer Sicherheitsradius von 1,8 Kilometern wird um die Weltkriegsbombe gezogen - dazu hat der Kampfmittelräumdienst der Stadt dringend geraten, sagte Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig bei einer Pressekonferenz zu der Aktion.
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© Frey-PressebildDer ungefähre Fundort der Luftmine bei Pfaffendorf. Auf Koblenz kommt eine riesige Evakuierungsaktion zu: Am Sonntag, 4. Dezember, wird die große Luftmine entschärft.

Die Bombe

Das Ausmaß der Sprengkraft ist ebenso riesig wie das Ausmaß des Einsatzes. Die britische 1800-Kilo-Bombe hat trotz ihrer Jahre im Fluss noch fast ihre gesamte Sprengkraft. Das haben Taucher des Kampfmittelräumdienstes bei ihrer Untersuchung der Mine, die 40 Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegt, festgestellt. Luftminen waren die größten Kampfmittel, die im Zweiten Weltkrieg abgeworfen wurden.

Das Risiko

Wenn die Bombe bei der Entschärfung detonieren sollte - was äußerst unwahrscheinlich ist - gäbe es im unmittelbaren Bereich „schwerste Zerstörungen“, so die Experten. Die Druckwelle wäre so enorm, dass im gesamten Evakuierungsbereich Fensterscheiben zerbersten könnten. Doch der Kampfmittelräumdienst sieht keine besonderen Schwierigkeiten bei der Entschärfung, die drei Zünder sind in gutem Zustand. Im Wasser kann der Sprengsatz allerdings nicht entschärft werden, und die Bergung birgt ein gewisses Risiko. Entschärft werden soll die Bombe zwischen 15 und 17 Uhr.

Die Evakuierung

Bürger im Evakuierungsbereich müssen ihre Wohnungen am Sonntag bis 9 Uhr verlassen. Sie müssen sich darauf einstellen, dass es bis zum späten Abend dauern kann, bis sie in ihre Wohnungen zurückkehren können. Ausnahmen sind nicht möglich. Flugblätter mit Informationen zu Betreuungsstellen, die in Schulen eingerichtet werden, zu Sonderbussen und anderen Details werden ab Montag an die betroffenen Haushalte verteilt. Erfahrungsgemäß unternehmen die Bewohner, die mobil sind, während der Evakuierung etwas, in den Betreuungseinrichtungen suchen vor allem Ältere Zuflucht. Als Ausflugsziel fallen der Koblenzer Weihnachtsmarkt und die Turngala „Gymmotion“ in der Sporthalle Oberwerth an diesem Tag allerdings aus: Sie bleiben geschlossen.
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© ORDNUNGSAMT KOBLENZEvakuierungszone

Krankenhaus und Co.

Bereits ab Freitagabend werden nach und nach das Brüderkrankenhaus und das Evangelische Stift sowie sieben Altenheime evakuiert. Die Patienten und Bewohner werden in andere Kliniken in Koblenz und Umgebung verlegt. Das wird auch Einfluss auf die Planung dieser Häuser in den nächsten Tagen haben: Nicht dringende Operationen etwa könnten verschoben werden. Andere sensible Objekte, die geräumt werden, sind der Hauptbahnhof, der Schienenhaltepunkt Mitte, das Kurfürstliche Schloss, mehrere Hotels und die Justizvollzugsanstalt auf der Karthause. Die Häftlinge werden auf die anderen Gefängnisse in Rheinland-Pfalz verteilt.

Der Verkehr

Auch auf den Straßen, dem Rhein und den Schienen wird Ausnahmezustand herrschen. Der Fluss, die B 9, die B 42, die B 327 (Hunsrückhöhenstraße), die Pfaffendorfer Brücke und die Südbrücke werden ab 9 Uhr gesperrt sein. Die Bahnlinien links und rechts des Rheins werden voraussichtlich erst gegen Mittag gesperrt, da sich die Behinderungen im Bahnverkehr bundesweit auswirken werden.

Der Einsatz: „Das ist die größte Evakuierungsmaßnahme in der Geschichte der Stadt Koblenz“, sagte Hofmann-Göttig - und einer der größten Einsätze für Polizei und Rettungskräfte. Man geht derzeit von mindestens 1500 Einsatzkräften von Feuerwehr, Ordnungsamt, Polizei und Sanitätsdienst aus, auch die Feuerwehren der benachbarten Gemeinden werden einbezogen. Der gigantische Einsatz erfolgt erst am 4. Dezember, weil am Wochenende zuvor ein Castor-Transport zu viele Einsatzkräfte bindet.