Offenbach. Die Piratenpartei hat sich auf ihrem Parteitag in Offenbach mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für die Freigabe aller Drogen ausgesprochen. "Der Konsum und der Erwerb von Genussmitteln muss legalisiert werden", heißt es in dem Antrag, der am Sonntag auf dem Bundesparteitag in Offenbach beschlossen wurde.

Andernfalls sei der Staat nicht in der Lage, regulierend einzugreifen. Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Stoffen müsse aufgehoben werden.

"Die bisherige Kriminalisierung der Konsumenten muss beendet und der damit verbundene Schwarzhandel durch kontrollierte Erwerbsstrukturen ersetzt werden", lautet die Forderung eines weiteren Antrags, der ebenfalls die Zustimmung der Partei fand. Damit übernimmt die Bundespartei Positionen, die zuvor bereits von den Landesverbänden NRW und Berlin beschlossen worden waren.

Auf der Suche nach Positionen

Es ist die letzte Fanfare eine Bundesparteitags einer Partei auf der Suche nach Orientierung. Viele Positionen hatten die Piraten bislang bewusst offengelassen. Eurokrise? Hartz IV? Integrationspolitik? In vielen Politikfeldern müssen sich die Piraten erst verorten.

In Offenbach gab es nun erste Antworten. Hier schwenkte die Partei sichtbar auf einen links-liberalen Kurs ein. Die rund 1300 anwesenden Mitglieder beschlossen unter anderem, die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen im Parteiprogramm zu verankern. Zudem verlangen die Piraten neben der Freigabe von Drogen Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher abzuschaffen und die ausufernde Leiharbeit zu begrenzen. Auch pochen die Piraten auf eine striktere Trennung von Kirche und Staat.

Kritik und Bekenntnis zu Europa

Die Parteispitze sieht in den Beschlüssen jedoch keinen Linksruck. "Das bedingungslose Grundeinkommen wird in allen Teilen der Gesellschaft diskutiert", sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz am Sonntag. Er verwies darauf, dass die Linkspartei dieses Konzept abgelehnt habe, während es in der CDU starke Unterstützer gebe.

Ein Bekenntnis zu Europa verbanden die Piraten mit Kritik an demokratischen Defiziten bei der Entstehung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM. Ebenfalls soll die Einführung eines fahrscheinlosen Nahverkehrs geprüft werden.

Bislang sind die Piraten vor allem als Internetpartei wahrgenommen worden. Nach dem Wahlerfolg von Berlin, wo ihr mit 8,9 Prozent der Sprung ins Abgeordnetenhaus gelang, sieht sich die Partei jedoch mit großen Erwartungen konfrontiert. "Die Piratenpartei ist jetzt in der Realpolitik angekommen", bilanzierte Nerz.

Parteitag wegen Überfüllung geschlossen

Dass die Partei auch Opfer ihres eigenen Erfolgs und basisdemokratischen Konzepts werden könnte, zeigte sich am Samstag deutlich. Wegen langer Schlangen vor dem Einlass verzögerte sich der Beginn des Parteitags zunächst um eine Stunde. Dann stellte sich heraus, dass wegen Überfüllung nicht alle angereisten Mitglieder in die für 1.500 Besucher zugelassene Stadthalle hinein konnten.

Hintergrund ist, dass die Parteispitze den Parteitag noch vor der Berlin-Wahl geplant hatte. Seitdem ist die Zahl der Mitglieder aber um mehr als die Hälfte auf fast 19.000 gestiegen.

Beim nächsten Mal in eine größere Halle

Dennoch will die Partei an ihrem basisdemokratischen Prinzip festhalten und weiterhin alle ihre Mitglieder zu ihren Bundesparteitagen zulassen. "Wir müssen für das nächste Mal eine größere Halle suchen oder andere Konzepte wie dezentrale Parteitage ausarbeiten", sagte Nerz. Er erteilte einem Delegiertensystem, wie es in anderen Parteien üblich ist, eine Absage.

Auch die Tatsache, dass der Beschluss zum bedingungslosen Grundeinkommen alles andere als konkret ist, entspricht dem neuen Politikstil der Piraten. "Wir fordern, dass die Bevölkerung entscheidet, nicht Politiker. Wir wollen auch nicht, dass wir entscheiden", sagte Antragsteller Johannes Ponader, ein 34 Jahre alter Theaterpädagoge, im dapd-Interview.

Nerz warnt vor Spaltung

Der Widerstand gegen den Beschluss war jedoch so groß, dass die Partei einige Mitglieder und Anhänger damit verprellen könnte. Er sei traurig über jedes Mitglied, das die Partei verlasse, sagte Nerz. Er könne jedoch nachvollziehen, wenn ein Mitglied eine inhaltliche Übereinstimmung mit der Partei durch einen solchen Beschluss nicht mehr gegeben sehe.

Nerz hatte die Piraten zu Beginn des Treffens vor einer Spaltung gewarnt. Diese Warnung habe sich jedoch nicht auf die Diskussion über das Grundeinkommen bezogen. Nach den Anfangserfolgen könnten die ersten Mandatsträger in der Tagespolitik Fehler machen, die eine Partei dann spalten könnten. Derzeit hat die Partei 176 Mandate in ganz Deutschland, darunter 15 im Berliner Abgeordnetenhaus.

Bis zur Bundestagswahl im September 2013 planen die Piraten noch drei Parteitage bevor, um das Wahlprogramm zu diskutieren.

Voraussichtlich soll es im Frühjahr 2013 beschlossen werden.

APD