Sie kann trösten, satt machen, das Leben versüßen. Und möglicherweise noch viel mehr, etwa Herzkrankheiten vorbeugen. Warum das funktionieren könnte und wie sie wird, was sie ist: Eine Geschichte von wertvollen Bohnen, entschlüsselten Genomen und einer Sucht, die eine Sehnsucht ist.

Unter rauschenden Palmen, an den weißen Stränden der Karibik, leben die Kuna. Ganz im Nordwesten Panamas, auf den kleinen Inseln des San-Blas-Archipels. Das Meer ist hier noch voller Hummer, Krebse und Krabben, Meeresschildkröten knabbern an Korallenriffen, unter Kokospalmen wachsen Kochbananen und Kakaobäume. Ganz Tropenidyll. Die Kuna, ein ursprüngliches Volk, leben in Bambushütten, stellen kunstvoll verzierte Baumwollstoffe her, fahren kein Auto, kochen Reis im Wasser der Kokosnüsse, essen Seafood, Reis - und trinken mindestens fünfmal am Tag eine Schale Kakao. Die soll verantwortlich sein für das, was die Kuna von fast allen anderen Völkern dieser Welt unterscheidet: Sie kennen keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wissenschaftler sind sich einig, dass das weder an den vielen Meeresfrüchten, noch am tropischen Klima oder der Meeresbriese liegt. Die haben andere Inselvölker schließlich auch, und denen geht es nicht so gut. Der Grund dafür, dass die Kuna gegen eine der großen Geißeln der Menschen aus Industrienationen immun sind, könnte einzig und allein ihre Liebe zum Kakao sein. Denn Kuna, die in Panama-Stadt und dem angrenzenden Festland leben und kein tägliches Schokoladenritual kennen, haben den Gesundheitsvorteil nicht: Ihre Gefäße verkalken, sie bekommen Herzinfarkte.

Gibt es in der Schokolade also eine wundersame Substanz? Birgt ausgerechnet die Süßigkeit, die als Dickmacher, als süße Sünde, als fette Kalorienbombe verschrien ist, einen Stoff, der uns länger gesund sein lässt?

Vielleicht. Allerdings muss man zunächst unterscheiden, wovon man redet, denn Schokolade ist nicht gleich Schokolade, und erst recht nicht gleich Kakao. Die über 90 verschiedenen Tafeln, Riegel und Pralinen, die sich ordentlich über zehn, zwanzig Regalmeter in einem normalen deutschen Supermarkt aufreihen, hübsch verpackt in rotes, blau-weißes, lilafarbenes oder schwarzes Papier, die Schoko-Weihnachtsmänner und Osterhasen haben mit dem Kakao der Kuna wenig zu tun. Denn in den meisten Schokoladen steckt neben Kakao und Zucker auch noch Milchpulver und Lecithin. Chili, Banane, Kardamom, Salz, Grüntee, Sesam und viele andere Aromen sollen die Bitterkeit des echten Kakaos in der Schokolade übertünchen. Schokoladenhersteller fügen der Kakaomasse Stoffe hinzu, reichern sie an und tauschen Substanzen aus. So wird die Schokolade zu einem geradezu kunstvollen Produkt. Das Wundermittel der Kuna ist dagegen eher etwas für Minimalisten: Kuna-Schokolade besteht aus gemahlenen Kakaobohnen - und heißem Wasser. Mehr kommt nicht hinein.

Für den europäischen Gaumen ist das eine problematische Mischung. Denn ohne Zucker geht bei uns nichts. Das zeigen auch schon die behördlichen Bestimmungen: Damit sich unter dem Begriff Schokolade nicht zu kuriose Kreationen verbergen können, hat die EU eine Verordnung erlassen, die regelt, dass nur das, was Kakao und Zucker enthält, überhaupt Schokolade heißen darf. Nicht hinein dürfen laut Schokoladenverordnung Getreidemahlerzeugnisse und künstliche Aromen, die den Geschmack von Schokolade oder Milch nachahmen. Klare Regeln - und genügend Spielraum für Chocolatiers.

Zarte Pflanze

Aber wie kommt man von dem heißen Bittergetränk der Karibik zur schmelzenden Schokoladentafel? Und wie kommt die Kakaobohne in die Tafel Schokolade? Das ist ein langer Weg.

Zunächst muss man sich um die Kakaopflanzen kümmern. Sie sind anspruchsvolle Gewächse, mögen es warm, möglichst konstant 25 bis 28 Grad Celsius. Dazu sollte es tropisch feucht sein - und schattig. Theobroma cacao ("Speise der Götter"), wie Carl von Linné den Baum nannte, den Eroberer im 18. Jahrhundert aus der Ferne in die botanischen Gärten Europas brachten, wächst also nicht überall. Die Hauptanbaugebiete liegen in den tropischen Zonen, genauer: zwischen dem 20. Grad nördlicher und dem 20. Grad südlicher Breite. In Afrika, Amerika und Asien. Vor allem die Elfenbeinküste, Indonesien und Ghana, Nigeria, Kamerun und Brasilien exportieren Kakao, mehr als 70 Prozent der weltweiten Ernte kommen aus Westafrika.

Doch der Kakaobaum ist nicht nur anspruchsvoll, sondern auch empfindlich. Und besonders empfindlich ist Criollo, eine Art Mimose unter den Kakaobäumen. Ist der Boden zu feucht, lassen Criollo-Bäume ihre Blätter hängen, sticht die Sonne zu stark, geht es dem Baum nicht gut. Krankheiten und Schädlinge haben mit Criollo-Bäumen ein leichtes Spiel. Sie sind empfindlich und werden deshalb kaum noch von den Bauern angepflanzt. Ein Dilemma, da Schokoladenliebhaber ihn wegen des besonders feinen Aromas seiner Bohnen schätzen. Entsprechend teuer ist Criollo-Kakao. Forastero-Kakao hingegen ist robuster, er trägt mehr Früchte. Er ist mittlerweile zum weltweiten Standardkakao geworden. Aber auch Forastero-Bäume werden krank. Fäulnispilze, Viruskrankheiten und Insekten vernichten jährlich bis zu 40 Prozent der globalen Ernte. Kein Wunder also, dass unzählige Forscherteams nach Wegen suchen, um den Kakaobaum anspruchsloser und widerstandsfähiger zu machen. Wissenschaftler haben jahrzehntelang geklont, gekreuzt und aufgepfropft - und die resistentesten Setzlinge an die Kakaobauern verkauft. Das senkt zwar die Kakaovielfalt, sichert aber das Leben der Bauern. Und den Bedarf der Hersteller: Denn die versuchen mittlerweile, auch die bislang an Schokolade eher desinteressierten Asiaten für Schokolade zu begeistern. Gute Sorten für gute Ernten für guten Absatz - so die Devise.

Die Erforschung des Kakaogenoms beispielsweise soll zu ertragreicheren und resistenteren Kakaosorten führen. An der University of the West Indies auf Trinidad lag lange Zeit das größte Wissen über die Pflanzen: Hier gibt es die größte Kakao-Genbank der Welt, hier lagert das Erbgut verschiedener Sorten von Theobroma cacao. Mittlerweile macht das Internet der Datenbank in der Karibik Konkurrenz. Denn heute wird nicht mehr nur in Samen und Ablegern, Gewebeproben und wissenschaftlichen Aufzeichnungen nach dem Schlüssel zum Kakaobaum der Zukunft gesucht.

Jetzt soll der genetische Code weiterhelfen. Im vergangenen Jahr haben die Forschungsabteilung des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums, der Schokoriegelhersteller Mars und der Computerkonzern IBM eine vorläufige Version des Erbgutes entschlüsselt. Jeder kann nun unter der Indernetadresse www.cacaogenomedb.org das Erbgut des Kakaobaums bewundern. Und jeder soll mitforschen, soll helfen, die Kakaoernten auch in Zukunft zu sichern. Auch der Mars-Konkurrent Hershey's setzte Wissenschaftler auf das Erbgut der Pflanze an. Rund 35 000 Gene, also 10 000 mehr als der Mensch, besitzt die Pflanze. Claire Lanaud vom Hershey's Team schrieb im Fachjournal Nature Genetics: "Die Sequenzierung wird helfen, die unterschiedlichen Eigenschaften von verschiedenen Kakaopflanzen besser zu verstehen und die genetische Verbesserung zu beschleunigen." Demnach sind es nur eine Handvoll Gene, die die Widerstandskraft der Pflanzen festlegen.

Man wolle mit der Entschlüsselung des Kakaogenoms auch, sagen die Schokoladenhersteller, den etwa 6,5 Millionen Kakaobauern weltweit helfen - und die Kakaoversorgung für Lebensmittelhersteller sichern. Doch bis aus den Tausenden Genen eine neue Kakaosorte gezüchtet ist, die gegen Krankheiten, Trockenheit und Kälte gefeit ist (und den Herstellern niedrige Kakaopreise sichert), dauert es wohl noch ein wenig.

Bis dahin müssen der Industrie die herkömmlichen Sorten genügen - und deshalb versucht sie, die Herstellungsprozesse zu optimieren. In der Produktion gibt es noch genügend Stellschrauben, an denen gedreht werden kann.

Aroma? Eine Frage der Fermentation

Wenn die Früchte in der tropischen Hitze Afrikas, Amerikas und Asiens gesund gereift sind, ernten die Kakaobauern sie einzeln von Hand. Bis zu fünfzig Früchte trägt ein Baum, über 15, manchmal sogar 25 Jahre hinweg. Diese honigmelonenartigen Früchte schleppen die Bauern in Körben zu Sammelplätzen und schlagen dort mit Messer oder Machete die harte Schale auf. Heraus quillt ein weiches, weißes, süßes Fruchtfleisch, darin eingebettet liegen 30 bis 50 Kakaobohnen - so viele, wie man für eine Tafel Schokolade braucht. Diese Samen und das Fruchtfleisch werden traditionell gemeinsam auf Bananenblätter gehäuft und eingewickelt oder in luftdurchlässigen Holzkisten aufeinandergeschichtet. Nun beginnt die Fermentation.

Sie entscheidet über das spätere Kakaoaroma: Bakterien wandeln im natürlichen Gärungsprozess den Zucker des süßen Fruchtfleischs erst zu Ethanol und dann weiter zu Essigsäure um. Ein Prozess, bei dem es bis zu 50 Grad Celsius heiß wird und der zwei bis zehn Tage dauern kann. Die Essigsäure dringt in die Kakaobohnen ein und lässt sie braun werden, in den Bohnen bilden sich die Vorstufen von Aromastoffen. Gleichzeitig tötet die Essigsäure auch die Samen ab - sie können dann nicht mehr keimen. Nach der Fermentation sind die Bohnen lagerfertig.

Läuft die Fermentation nicht optimal, ist die Qualität des Rohkakaos dahin. Oft vergammelt ein Teil der Bohnen während der Hitzekur im Bananenblatt, oder sie werden nicht rechtzeitig herausgenommen. Die Fermentation - auch sie ist also ein Fall für die Wissenschaft. Und für die Schokoladenhersteller: Eine möglichst große Menge gut fermentierter Kakaobohnen senkt den Marktpreis.

"Um eine bessere Fermentation zu erzielen, teilen wir an die Kakaobauern in der Elfenbeinküste, in Kamerun und Indonesien einen Fermentationsmix aus. Das sind im Grunde genommen Halbliterflaschen, in denen eine Lösung mit bestimmten Bakterien enthalten ist", erklärt Hans Vriens, Entwicklungschef beim Marktführer Barry Callebaut. "Der Inhalt dieser Flasche wird dann zur Fermentation auf die frisch aus der Kakaofrucht gewonnenen Bohnen verteilt. Das Ergebnis: Von den fermentierten Bohnen können 100 Prozent verarbeitet werden - ohne den Fermentationszusatz sind es oft nur 80 Prozent. Wir können über diesen Fermentationszusatz sogar den Geschmack der Bohnen beeinflussen - uns ist es gelungen, indonesische Kakaobohnen genauso schmecken zu lassen wie westafrikanische."

Das klingt ein wenig wie Alchemie, ist aber der Versuch, die Produktion von Kakaobohnen in den Ursprungsländern zu stabilisieren. Dass sich die Anstrengungen der Hersteller sich lohnen, zeigen die von Jahr zu Jahr steigenden Produktionszahlen: In der Saison 2010/2011 wurden nach Schätzungen der Internationalen Kakaoorganisation ICCO 3,9 Millionen Tonnen Kakaobohnen geerntet, 300 000 Tonnen mehr als in der Vorsaison - so viel wie bislang noch nie. 70 Prozent des Kakaos kommen heutzutage aus Afrika, 19 Prozent aus Asien und elf Prozent aus Amerika.

In Trockenöfen oder an der freien Luft trocknen die Bohnen nach der Fermentation, werden in Jutesäcke verpackt und in die Schokoladenfabriken nach Übersee, hauptsächlich nach Nordamerika und Europa verschifft. Hier werden die Bohnen gereinigt, geröstet, gebrochen und gemahlen. Beim Rösten entstehen die charakteristischen Kakaoaromen. Bei relativ milden Temperaturen laufen in den Bohnen komplexe chemische Reaktionen ab, Bitterstoffe werden abgebaut, Zucker und Aminosäuren reagieren miteinander und färben die Bohnenweiter braun. Aus den erst leicht muffig riechenden Kakaobohnen steigen unangenehme Gerüche nach Butter-, Essig- und Propansäure auf. Doch am Ende des Röstens steht der typische Kakaoduft. Das Rösten wird durch "elektronische Zungen", also Sensoren, die etwa den Phenolgehalt messen, überwacht.

Die gerösteten Bohnen werden dann grob gebrochen und gemahlen - und da eine Kakaobohne zu über 50 Prozent aus Fett besteht, entsteht eine zähflüssige Masse, die Kakaorohmasse. Mit Hochdruck wird möglichst viel Fett herausgepresst, übrig bleibt auf der einen Seite die Kakaobutter und auf der anderen das Kakaopulver. Aus diesen beiden Ausgangsstoffen entstehen Schokoladentafeln, Pralinen, Kuvertüren - je nachdem, was hinzugemischt wird.

Wie die Liebe zum Kakao begann

Schokolade gibt es für jede Lebenslage, als kleine Aufmerksamkeit, als Seelentröster, als Heißgetränk oder Schokofondue. Kein Wunder, denn das Lebensmittel hat eine Geschichte, die wahrscheinlich vor über 3000 Jahren begann. Genügend Zeit für die Evolution einer Süßigkeit.

Die Olmeken, ein Volk, das um 1500 bis 400 vor unserer Zeitrechnung im Gebiet des heutigen Ostmexiko lebte, genossen den Kakao. Sie gelten als die ersten Kakaobauern der Welt, pflegten und züchteten die Bäume. Eine Theorie, warum den Olmeken die Idee kam, Kakaofrüchte als Nahrungsmittel zu nutzen, geht so: Möglicherweise haben sie sich ihre Vorliebe von Affen abgeguckt, die das süße, weiße Fleisch der Früchte fressen, die Bohnen allerdings verschmähen. Das Fruchtfleisch ist so süß, dass es auch heute noch zu einem fruchtigen Getränk verarbeitet wird - durch alkoholische Gärung kann es sogar berauschende Wirkung haben.

Auch über den Sprung vom süßen Fruchtfleischessen zum bitteren Bohnenkonsum gibt es Spekulationen. Douglas C. Daly und Nathaniel Bletter vom Botanischen Garten in New York gehen davon aus, dass die Idee, die Bohne zu einem Getränk zu verarbeiten, das Ergebnis der Suche nach einer Art Energydrink ist. Aufputschende Substanzen wurden in Südamerika schon früh genutzt, Mate, Guaraná und Tabak waren weit verbreitet. In Mesoamerika, dem Gebiet der Olmeken, wuchsen weder Tabakstrauch noch Guaraná-Lianen - aber Kakaobäume. Also suchten die Olmeken nach einer anderen Energiequelle. Und da die Bohnen Koffein und Theobromin enthalten, ein Getränk aus ihnen also wach macht, war der Aufputschdrink für Mittelamerika erfunden. Anthropologen um Terry G. Powis von der Kennesaw State University berichteten im vergangenen Mai, dass sie an den Olmeken-Ausgrabungsstätten Paso de la Amada und El Manatí Rückstände von Kakao in Trinkgefäßen aus Ton nachweisen konnte, die 3800 Jahre alt sind.

Auch die bekannteren Azteken und Maya mochten Kakao. Auf Maya-Keramiken finden sich Zeichnungen von Kakaobohnen und -getränken. Sie hatten ihre eigene Art, Kakao zu konsumieren: Sie zerrieben Mais, Kakaobohnen und manchmal auch das rötliche, aus Südamerika stammende Färbemittel Achiote auf einem Mahlstein (Metate) und verrührten das Pulver mit kaltem oder warmem Wasser. Den schäumenden Mix tranken sie aus hohen, schmalen Bechern - wodurch sie einen blutroten Mund bekamen.

Als die Spanier das Reich des Kakaos eroberten, bemerkten sie schnell, dass das Getränk bei Azteken und Maya ein Luxusgut war. Auch die Kakaobohnen selbst waren kostbar: Sie wurden als Zahlungsmittel und bei rituellen Handlungen benutzt. Schon Christoph Columbus berichtete 1502, als er an der Küste von Honduras landete, dass die Eingeborenen mit "einer Art Mandel" bezahlten.

Hernán Cortés, spanischer Eroberer, nahm 1521 die Hauptstadt Tenochtitlán des Aztekenreichs ein - es war ein blutiger Eroberungszug. Doch so groß das Gemetzel unter den Einheimischen auch war, erkannte Cortés immerhin, welchen Wert "xocolatl", das Schokoladengetränk, für die Azteken hatte. Er soll das Getränk 1528 nach Spanien gebracht haben, wo es, ungesüßt und mit Wasser angerührt, zunächst wenige Liebhaber fand. Schokolade galt als ein bitterer, merkwürdiger Trank aus der Neuen Welt, der den Europäern erst rund 100 Jahre später schmeckte, mit neuer Zubereitung.

Die Karriere des Kakaos verlief in Europa also ein wenig schleppend. Zunächst war Kakao weniger Genuss, denn Medizin. Von Spanien gelangten kleinere Mengen der bräunlichen Bohnen nach Italien und Frankreich. Der italienische Arzt Stephani Blancardi etwa schrieb im 17. Jahrhundert: "Schokolade hat nicht nur einen angenehmen Geschmack, sondern ist auch eine echte Wohltat für den Mund, ein Mittel, um Drüsen und Körpersäfte bei guter Gesundheit zu halten." Um diese Wohltat aber genießen zu können, fügte man Vanille, Zucker und Zimt hinzu - und in dieser Form wurde der Kakao schließlich ein heißes Schokoladengetränk für Damen und Herren der feinen Kreise.

Schokolade? Nur am Hof

Wie sich Kakao und Schokolade genau von Spanien aus verbreitet haben, ist noch wenig erforscht. Ein Weg ging wohl über die guten kirchlichen Kontakte nach Italien, nach Frankreich brachte das Getränkvermutlich die spanische Prinzessin Anna von Österreich. Sie heiratete 1615 den französischen König Ludwig XIII. Die Ehe war arrangiert, man wollte mit ihr die Beziehungen zwischen Spanien und Frankreich verbessern. Doch ebenso wenig wie die Länder sich annäherten, genauso wenig kamen sich die Eheleute näher. Erst nach 20 Jahren wurde ein Sohn, der spätere Ludwig XIV., geboren. Annas Einfluss auf das höfische Leben war allerdings groß. Sie führte eine Art "Schokoladenkränzchen" ein, es war eine Ehre, "zur Schokolade" geladen zu sein. Sie erwirkte auch, dass ihr Sohn dem Chocolatier David Challiou 1659 das landesweite Monopol zur Schokoladenherstellung und zum Verkauf sicherte.

Auch Kardinal Alphonse de Richelieu nutze Schokolade Mitte des 17. Jahrhunderts als stärkendes Mittel, das auch gegen Melancholie wirken sollte. Sein Leibarzt erklärte damals: "Durch den täglichen Genuss von Schokolade wird die Gesundheit wieder hergestellt und das Leben verlängert."

Die Trinkschokolade eroberte auch das restliche Europa - langsam aber unaufhaltsam. Zunächst waren Kakao und Schokolade Luxusgüter, für Trinkschokolade wurden spezielle Service aus Porzellan angefertigt, damit man sich die Lippen nicht verbrannte. Doch im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Herstellung preiswerter: Maschinen wurden eingesetzt und machten nicht nur den Kakao selbst, sondern auch Schokoladenzutaten wie Zucker billiger.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Schokolade schließlich zu einer Allerweltssüßigkeit. Laut Deutschem Süßwarenverband isst heutzutage jeder Deutsche im Durchschnitt 95 Tafeln Schokolade pro Jahr. Im weltweiten Konsumranking liegen wir damit auf Platz fünf. Kein Wunder, dass Ernährungs- und Gesundheitsexperten die Folgen des Kakao-Konsums genau untersuchen. Doch wie immer, wenn es um die Erforschung der Ernährung am lebenden Menschen geht, sind die Ergebnisse vieldeutig.

Mittlerweile wissen die Forscher aber immerhin, welche Wirkung die verschiedenen Inhaltsstoffe des Kakaos haben und wie sie auf den Körper wirken.

Allen voran kommt das Theobromin. Theobromin ist für den Kakao, was für den Kaffee das Koffein und für den Tee das Teein ist. Der Muntermacher in der Bohne sozusagen. Von diesem Alkaloid finden sich ein bis 2,5 Prozent in der Kakaobohne, in einem Kilogramm dunkler Schokolade kommen drei bis zehn Gramm zusammen. Ein Kilogramm Milchschokolade bringt es auf 0,6 bis vier Gramm. Nicht sonderlich viel also. Aber dennoch wirkt Theobromin ähnlich wie Koffein und Teein entwässernd, es erhöht die Auswurfleistung des Herzens und entspannt die glatte Muskulatur der Bronchien, wodurch die Atmung verbessert wird. Wegen der entwässernden Wirkung wurde Theobromin sogar lange Zeit in Apotheken verkauft: Um 1900 verordneten Ärzt das "Diurin", ein Theobromin-Natrium-Salicylat, als eines der häufigsten Medikamente bei Herzschwäche und Ödemen. Die Diurin-Ära endete erst, als in den 30er-Jahren bessere Diuretika entwickelt wurden. Nur im Sport spielt Theobromin heute noch eine besondere Rolle: Bei Windhunden und Rennpferden weisen Dopingfahnder den Kakaostoff in Blut und Urin nach - bei den Tieren wirkt er leistungssteigernd.

Substanzen gegen Krebs

Aber Theobromin ist nicht die einzige Wirksubstanz aus der Kakaobohne. Für uns Menschen heute viel relevanter sind Polyphenole. Diese Stoffe kommen in vielen Pflanzen vor, als Farbstoffe, Geschmacksstoffe und Gerbsäuren. Sie sollen Fraßfeinde abwehren oder Insekten zur Bestäubung anlocken. Isst der Mensch Polyphenole, so schützen sie ihn angeblich vor Krebs und hemmen Entzündungen. Sie können Zellen vor freien Radikalen schützen und die Zellalterung verlangsamen. Sie senken den Blutdruck, beugen der Arterienverkalkung vor und schützen vor einem Herzinfarkt. Ob diese Effekte aber bei jedem Menschen auftreten, und in welchen Mengen wir Polyphenole essen müssten, damit sie gesund wirken, ist bislang nicht eindeutig geklärt.

Die Polyphenol-Untergruppe der Flavonoide wirkt besonders gut auf die Gefäße. So haben beispielsweise Wissenschaftler um Karin Ried von der University of Adelaide in BMC Medicine im vergangenen Jahr in einer Metaanalyse herausgefunden, dass der tägliche Konsum dunkler Schokolade den Blutdruck von Hochdruckpatienten genauso stark senken kann wie eine halbe Stunde Bewegung am Tag, also um fünf Millimeter Quecksilbersäule (5 mmHG). Bei Menschen mit normalem Blutdruck wirkte die Schokoladenkur allerdings nicht. Zur Vorbeugung gegen hohen Blutdruck scheint Kakao also ungeeignet.

Flavonoide fördern aber auch die Durchblutung - und nicht nur im Körper, sondern auch im Gehirn. Das bewies der Stoffwechselphysiologe Ian MacDonald von der Nottingham Medical School, indem er Probanden Kakao trinken ließ, der mit Flavonol angereichert war. Anschließend schob er seine Testpersonen in den Magnetresonanztomografen: Ihr Gehirn war bis zu drei Stunden lang besser durchblutet als das einer Vergleichsgruppe. Sein Rückschluss: Auch Flavonoide sind indirekte Muntermacher, und Kakao steigert die mentale Leistungsfähigkeit. "Bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe können unsere Hirnfunktionen anregen, beispielsweise in Situationen starker Müdigkeit, Schlafmangels oder Alterns", schreibt er. "Die verbesserte Durchblutung könnte dem Gehirn helfen, bestimmte Aufgaben besser zu lösen und generell die Wachsamkeit über eine kurze Zeit erhöhen."

Vor allem die Flavonoide Epicatechin und Catechin führt zur Steigerung der Durchblutung. Der Harvard-Professor Norman Hollberg hielt sie sogar für diejenigen Stoffe im Kakao, die für die gute Gesundheit der Kunas auf den Karibik-Inseln verantwortlich sind. Dass die Inselbewohner allein deshalb gesünder sind, weil sie im karibischen Idyll leben und sich mangels Autos viel bewegen müssen, schließt der Forscher aus. Hollberg stellte vor sechs Jahren vielmehr die These auf, dass "Epicatechin das Auftreten von Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes und Krebs auf weniger als zehn Prozent senken könnte - wenn die Menschen nur genügend Kakao tränken". Beweisen konnte das bislang aber niemand.

Doch Untersuchungen wie die Bluthochdruck-Studie aus Australien verkünden regelmäßig den Nutzen von Kakao auf das Herz-Kreislauf-System. Weltweit wird nach Stoffen gesucht, die uns vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ 2 Diabetes schützen. Dieser Eifer wundert kaum, warnte die Weltgesundheitsorganisation doch erst kürzlich wieder davor, dass bis zum Jahr 2030 rund 23 Millionen Menschen jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben. Zudem leidet etwa ein Fünftel der Erwachsenen am metabolischen Syndrom, das das Risiko für Typ-2-Diabetes und Gefäßkrankheiten drastisch erhöht.

Aber viele Ernährungsstudien sind mit Vorsicht zu genießen, sie sind nicht miteinander zu vergleichen, haben unterschiedliche Forschungsziele. In diesem Jahr erst verdeutlichte eine Untersuchung von einem Team um Adriana Buitrago López aus Cambridge, wie schwer Ernährungsforschung am lebenden Menschen ist: Die Wissenschaftler hatten 4576 Studien auf die Vergleichbarkeit und Eindeutigkeit der Daten in Bezug auf den Effekt von Kakao auf Herz und Gefäße geprüft. Nur sieben Studien hielten den Kriterien stand und konnten miteinander verglichen werden. Immerhin fünf dieser sieben Studien zeigten, dass die Probanden, die viel Kakao zu sich nahmen, im Vergleich zu denen, die sehr wenig Kakao aßen, ein um 37 Prozent verringertes Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung und ein um 29 Prozent verringertes Schlaganfallrisiko hatten.

Die zwei verbliebenen Studien konnten keinen Nutzen von Kakao für das Herz-Kreislauf-System feststellen - und so kommen die Forscher zu dem vorsichtigen Schluss: Kakao scheint tatsächlich gesund zu sein, aber weitere experimentelle Studien müssen in jedem Fall noch weitere Belege dafür finden.

"Die meisten Studien, die bislang einen positiven Effekt auf den Blutdruck zeigen konnte, haben bislang mit Schokolade gearbeitet. Wenn man aber eine wirkungsvolle Kakaomenge durch Schokolade aufnehmen würde, müsste man pro Tag eine Tafel Schokolade oder mehr essen - das ist unrealistisch", sagt Brian Buijsse, Ernährungsforscher am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. "In Studien, in denen die Probanden nur sechs oder zehn Gramm Schokolade gegessen habe, ist der gesunde Effekt durch den Kakao geringer oder sogar noch nicht eindeutig nachgewiesen. Um wirklich Schokolade empfehlen zu können, beispielsweise als eine Art Schutzmaßnahme für Menschen, die ein hohes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall haben, müssten wir Langzeitstudien mit realistischen Schokoladenmengen durchführen."

Schokolade mit Wunder-Stoffen

Der Euphorie Hollbergs wollen die meisten Forscher deshalb nicht ohne Weiteres folgen: Vorsichtigere gehen davon aus, dass Polyphenole die gesundheitsschädliche Wirkung der anderen Schoko-Inhaltsstoffe (Fett und Zucker) maximal ausgleichen können. "Bislang kann man Schokolade nicht als 'Medikament' empfehlen", sagt Buijsse. "Aber vielleicht empfehlen wir in fünf Jahren, wenn wir bessere wissenschaftliche Daten haben, dass man anstelle eines Kekses zum Nachmittagstee eher ein Stückchen dunkle Schokolade essen sollte."

Da aber Konsumenten "GESUND"-Label auf Lebensmitteln schätzen, bemühen sich die Schokoladenhersteller schon jetzt darum, den Gehalt an den "Gesundstoffen" in ihrer Schokolade zu erhöhen. "Von den über 700 Inhaltsstoffen in der Bohne ist von etwa 230 eine solche gesundheitsfördernde Wirkung bekannt", sagt Barry-Callebaut-Entwickler Hans Vriens. "Es gibt beispielsweise Schokoladen, in denen der Anteil der Polyphenole erhöht ist. Solche Produkte werden immer Nischenprodukte bleiben - aber wir reden hier von Nischenprodukten, die einen Marktanteil von drei oder sogar fünf Prozent erreichen können - und das ist in einem weltweiten Milliardenmarkt eine gar nicht so kleine Menge."

Der amerikanische Schokohersteller Hershey's bietet Polyphenol-Schokolade in seiner dunklen Schokoladenlinie an (und nennt sie gern "polyphenomenal"), Barry Callebaut hat "Acticoa" und Mars "Cocoapro" im Programm. Beim mittlerweile belgischen Hersteller Stollwerck heißt die Polyphenolschokolade "Purpur", sie basiert auf "Acticoa". Das spanische Unternehmen Natraceutical stellt ein Kakaopulver her, das zu zwölf Prozent aus Polyphenolen besteht. Man müht sich nach Kräften, auch Käufer, die ein Gesundlabel auf ihrer Schokolade sehen wollen, zufriedenzustellen.

Aber Schokolade enthält eben mehr als nur Kakao. Kakaobutter, Zucker und Milchpulver machen die positive Wirkung oft zunichte. Also geht der Trend dahin, die Dick- und Krankmacher aus Pralinen und Co herauszufiltern. Wissenschaftler und Hersteller lassen Zutaten weg - oder tauschen sie aus. Zucker zum Beispiel. In sogenannten Diät-Schokoladen ist der normale Raffinadezucker zum Teil durch Zuckerersatzstoffe ersetzt. Das reduziert Kalorien, zumindest ein wenig: In einer Tafel Ritter Sport Halbbitter etwa sind 525 Kilokalorien enthalten, das zuckerarme Schwesterprodukt "Halbbitter Diät" enthalte 113 Kilokalorien weniger. Das liegt vor allem daran, dass hier nicht der Haushaltszucker Saccharose für die Süße sorgt, sondern Maltit, ein Zuckeraustauschstoff aus Mais und Weizenstärke.

"Es gibt ja den Glauben, dass Schokolade dick macht. So einfach ist das zwar nicht - denn nicht die Schokolade macht dick, sondern mangelnde Bewegung und ein Zuviel an Kalorien. Aber wenn viele Leute das glauben, dann wird aus dem Glauben leicht eine Wahrheit", erklärt Vriens. Aber wie reduziert man die Kaloriendichte? "Man kann zum Beispiel Füllungen mit weniger oder anderem Fett versehen, kann den Zucker versuchen durch Ersatzstoffe auszutauschen", sagt Vriens. Aber das stellt die Hersteller vor neue Herausforderungen. "Wenn man beispielsweise den Zucker durch den Süßstoff der tropischen Pflanze Stevia ersetzen will, dann hat man sofort ein Problem mit dem Volumen - Sie können Zucker nicht eins zu eins durch Stevia ersetzen. Wir setzen zwar anstelle des Zuckers den Süßstoff der Stevia ein, brauchen dann aber noch Ballaststoffe, die wir aus den Kakaobohnen selbst gewinnen, um wieder auf das gleiche Volumen zu kommen. Lösungen mit anderen Süßstoffen können den Nachteil haben, ab einer gewissen Menge einen abführenden Effekt zu haben - was man natürlich vermeiden will. Die Herstellung von zuckerfreier Schokolade ist also nicht ganz einfach."

Keine Sucht. Sehnsucht!

Seit Ende November ist Stevia auf dem europäischen Markt zugelassen. Der enthaltene Süßstoff Steviosid ist 300-mal süßer als Zucker und enthält keine Kalorien. Der belgische Hersteller Cavalier ist in den USA bereits mit Stevia-Schokolade auf dem Markt und will sie nun in Europa einführen. Immerhin verspricht Cavalier, dass die neuen Tafeln 45 Prozent weniger Kalorien enthalten. Auch Hersteller Villars setzt auf die Schokolade mit der neuen Süße und vertreibt in der Schweiz Stevia-Schokolade, die nur vier Prozent Zucker hat und als Ersatzstoff Gummiarabicum, einen für Menschen unverdaulichen Mehrfachzucker aus bestimmten Akazienarten und dem Zuckeraustauschstoff Isomalt.

Versuche, Schokolade zu einem gesunden Produkt zu machen, gibt es also genügend. "Aber die kalorienfreie Schokolade wird es natürlich nie geben", sagt Vriens. "In den vergangenen zehn Jahren wurden viele kalorienreduzierte Schokoladen auf den Markt gebracht. Nur, wenn wir auf eine Schokolade draufschreiben '30 Prozent weniger Kalorien', dann setzen viele Verbraucher das gerne gleich mit '30 Prozent weniger Geschmack'. Solche Schokolade kauft niemand. Man kann aber die Kalorienmenge langsam von 550 Kilokalorien auf 460 oder sogar 440 senken. Und diese Schokoladen schmecken gut. Ich glaube aber, dass man 'kalorienarme Schokolade' eher als Überzug für Kekse verwenden wird. Das passt vom Geschmack sehr gut."

Zum Glück für die Hersteller sind den meisten Menschen die Inhaltsstoffe von Schokolade fast egal. Sie haben ihre Lieblingsschokolade - und bleiben auch dabei. Vor allem Frauen berichten immer wieder, dass Schokolade sie glücklicher mache. Ist möglicherweise das Glückshormon Serotonin dafür verantwortlich? Immerhin kommt es in Nuss- oder Traubennussschokolade auch vor. Doch hier winken Forscher ab: Solche Stoffe gelangen zwar ins Blut - aber nicht ins Gehirn. Durch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke kommen sie nicht durch. "In meinen Augen ist es eh fraglich, ob sich die positive Wirkung von Schokolade auf einzelne Bestandteile im Kakao reduzieren lässt, auf Methylcanthine beispielsweise", sagt auch der Ernährungspsychologe Thomas Elrott von der Universität Göttingen. "Denn dann dürfte eigentlich nur dunkle Schokolade eine positive Wirkung haben, da der Kakaoanteil hier deutlich höher als bei Milchschokolade ist. Viele Verbraucher essen aber ausschließlich Milchschokolade und verspüren ähnlich positive Wirkung."

Dass wir Schokolade dennoch so schätzen, von ihr sogar unser Glück abhängig machen, erklärt Ellrott so: "Nahrungsenergie war - evolutionsbiologisch betrachtet - immer knapp. Deshalb gibt es eine starke Präferenz für kalorienreiche Lebensmittel. Mit 500 bis 600 Kilokalorien pro 100 Gramm gehört Schokolade zu den energiedichtesten Lebensmitteln, die man pur verzehren kann." Auch die Tatsache, dass der Schmelzpunkt von Milchschokolade ziemlich genau bei Körpertemperatur liegt, sie also im Mund direkt schmilzt, empfänden viele Menschen als angenehm. "Außerdem wird fast allen Schokoladen Milch, Zucker und Vanille zugegeben. Diese Zutaten werden von praktisch allen Kindern - denken Sie nur an Muttermilch - und den meisten Erwachsenen gemocht. Sie gleichen die Bitterkeit des Kakaos zudem in idealer Weise aus."

Ellrott betont auch, dass die positive öffentliche Bewertung der Schokolade als Genuss und "süße Sünde" dazu führt, dass man sich beim Schokoladeessen besser fühlt. "Auch mag es eine Rolle spielen, dass die Schokolade typischerweise in eher entspannten Lebenssituationen verzehrt wird, abends, zu Hause."

Nicht nur glücklich macht Schokolade uns, manche Liebhaber bezeichnen sich mittlerweile als schokosüchtig. Reine Übertreibung? Der Biologe und Ernährungsforscher Peter Rogers von der University of Bristol hat, finanziert von Barry Callebaut, untersucht, ob Schokolade einen Suchtfaktor enthält. Doch obwohl sie neben Serotonin auch Tryptophan, Phenylethylamin, Tyramin und Cannabinoide enthalten kann, winkt er ab. In anderen Lebensmitteln seien diese potenziell süchtig machenden Substanzen in höherer Konzentration enthalten - aber niemand behaupte, süchtig nach tryptophanreichen Sojabohnen zu sein. Nach Schokolade entwickele man eher eine Sehnsucht, denn eine Sucht. Zudem betont auch Rogers, dass die Lieblingsschokoladen einen relativ hohen Milchanteil haben - und somit der Gehalt der Kakaosubstanzen in ihnen geringer konzentriert ist. Eine Sucht nach schwarzer Schokolade habe noch niemand beschrieben.

Das weiß auch das Unternehmen Lindt Sprüngli, das derzeit mit einer 50-Gramm-Tafel-99-Prozent-Kakao-Schokolade das schwärzeste Produkt in Deutschland verkauft. Wer diese Schokolade genießen will, dem empfiehlt der Hersteller, sich erst einmal vorsichtig über andere Bitterschokoladen, 70- und 85-prozentige, heranzutasten. Der Gaumen müsse sich erst an das "besonders kakaointensive Geschmackserlebnis" gewöhnen.

Soll man Schokolade nun also essen, weil die Polyphenole das Leben vielleicht ein wenig verlängern können, weil sie manche Menschen glücklich macht oder weil sie eine so lange Tradition hat? Wohl kaum. Es gibt nur einen wirklich guten Grund, sie zu verspeisen: weil sie schmeckt.