Angenehme 22 Grad warm, kaum größer als die Erde: Der vom Nasa-Teleskop Kepler entdeckte Erdzwilling bietet Bedingungen, unter denen Leben möglich ist. Die Suche nach solchen Kandidaten macht derzeit rasante Fortschritte - täglich kommen im Schnitt drei neue Planeten dazu.


Bei der Jagd nach Planeten könnten die Nasa-Forscher langsam die Übersicht verlieren. 2009 war das Weltraumteleskop Kepler ins All gestartet, seitdem ist die Zahl von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, die nachgewiesen wurden, regelrecht explodiert. Täglich kommen im Schnitt drei neue Kandidaten hinzu - derzeit sind 2326 Planeten bekannt. Im Sommer 2010 stand die Zahl noch bei 312.

Als Planeten gelten große Himmelskörper, die einen Stern umkreisen und selbst nicht leuchten. Das macht die Suche nach ihnen auch so schwierig. Ihr Zentralgestirn, im Fall der Erde die Sonne, versorgt sie mit Wärme und Licht. "Wir wissen jetzt, dass im Universum Planeten in Hülle und Fülle vorhanden sind", sagte Pete Worden, Direkter des Ames Research Center, auf einer Nasa-Pressekonferenz. "Es ist noch gar nicht so lange her, da ahnten wir Menschen nicht einmal, dass es Planeten außerhalb des Sonnensystems gibt."

Worden konnte in der Nacht zum Dienstag eine spannende Nachricht verkünden: Das Kepler-Team hat einen Planeten entdeckt, dessen Durchmesser nur 2,4-mal größer als der der Erde ist. Viele bisher erfasste Exoplaneten sind deutlich größer. Kepler 22b, so heißt der Himmelskörper, hat tatsächlich das Zeug zum Erdzwilling: Der Abstand zu seinem Zentralgestirn ist ähnlich groß wie von der Erde zur Sonne. Ein Umlauf dauert 290 Tage, bei der Erde sind es 365. Die Nasa-Forscher sind überzeugt, dass Kepler 22b in einer sogenannten habitablen Zone liegt. Auf seiner Oberfläche dürfte es also weder zu warm noch zu kalt werden - die Durchschnittstemperatur liegt bei angenehmen 22 Grad.

"Es ist aufregend, sich vorzustellen, was möglich ist"

Ob auf Kepler 22b oder auf einem der Tausenden anderen Exoplaneten Leben existiert, können die Forscher freilich nicht sagen. Das Weltraumteleskop Kepler spürt Planeten anhand eines minimalen Lichtflackerns auf. Es entsteht, wenn ein Planet von der Erde aus gesehen direkt vor seinem Heimatstern vorbeizieht. Dabei verdeckt er einen Teil des Sternenlichts. Mit den Kepler-Daten bestimmen die Astronomen den Durchmesser eines Exoplaneten, nicht jedoch seine Masse.

"Die Zusammensetzung von Kepler 22b ist uns bislang unbekannt", sagte William Borucki, Chefwissenschaftler der Mission. Vermutlich habe der Himmelskörper einen Kern aus Gestein und eine mit Wasser bedeckte Oberfläche. Eine Massebestimmung von Kepler 22b würde die Forscher weiter bringen. Sie könnten dann die Dichte berechnen und davon die Zusammensetzung des Planeten ableiten. "Im Sommer, wenn der Stern hoch am Himmel steht, haben wir die Chance, ihn mit Teleskopen wie Keck von der Erde aus zu beobachten", sagte Borucki. Dann könne man vielleicht auch seine Masse berechnen. Das Keck-Observatorium steht in 4200 Metern Höhe auf dem Gipfel des Vulkans Mauna Kea auf Hawaii. Es gehört zu den größten optischen Teleskopen der Welt.

Die Forscherin Natalie Batalha geriet angesichts der Entdeckung regelrecht ins Schwärmen: "Es ist aufregend, sich vorzustellen, was möglich ist." Womöglich sei Kepler 22b von einem riesigen Ozean bedeckt. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass in solch einem Ozean Leben existiert."

48 Kandidaten könnten Leben beherbergen

Mit dem Kepler-Teleskop nehmen die Forscher ein sternenreiches Areal zwischen den Sternbildern Schwan und Leier ins Visier. Eine 95-Megapixel-Digitalkamera macht jede halbe Stunde Fotos von rund 100.000 Sternen unserer Milchstraße. Im Schnitt sind sie rund 3000 Lichtjahre von der Erde entfernt, die Distanz zu Kepler 22b beträgt 600 Lichtjahre. Der Erdzwilling ist damit auf absehbare Zeit mit einem Raumschiff nicht zu erreichen.

Dank Kepler können die Wissenschaftler immer kleinere Exoplaneten nachweisen. In den letzten Monaten ist ihre Zahl stark angestiegen. Laut der aktuellen Nasa-Statistik sind derzeit 48 Planeten bekannt, die in einer habitablen Zone liegen. 207 Himmelskörper der Kategorie Erde sind erfasst, deren Durchmesser kleiner als von Neptun ist.

Um einen Exoplaneten nachzuweisen, muss das Teleskop das kosmische Blinklicht mehrmals im gleichen Zeitabstand beobachten. Eine einzelne Helligkeitsschwankung könnte alles Mögliche sein, auch bei zweien besteht keine Gewissheit. Sicher können sich die Astronomen erst sein, wenn das Flackern dreimal im selben Intervall aufgetreten ist. Dann hat der Planet seinen Stern zweimal umrundet.

Genau das war bei Kepler 22b der Fall, wobei die Wissenschaftler bei der dritten Messung großes Glück hatten. Das erste Flackern wurde wenige Tage nach Inbetriebnahme des Weltraumteleskops gemessen, das zweite 290 Tage später und das dritte kurz vor Weihnachten 2010. Wenige Tage später wurde Kepler für einige Tage abgeschaltet, was für die Wartung immer mal wieder geschieht - glücklicherweise war der dritte Transit da bereits erfasst. Die Auswertung und Bestätigung der Messung dauerte dann mehrere Monate.

"Das ist ein großes Geschenk", sagte Chefwissenschaftler Borucki über den Fund. "Wir nennen ihn unseren Weihnachtsplaneten."