Mars-Region Phlegra Montes
© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)Farb-Draufsicht auf die Mars-Region Phlegra Montes. (Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen.)
Berlin/ Deutschland - Das Gebirgsmassiv Phlegra Montes auf dem Mars zieht sich über mehrere hundert Kilometer vom nordöstlichen Teil der Elysium-Vulkanregion bis weit in die nördliche Tiefebene erstreckt. Die Gebirgsgruppe besteht aus einer Vielzahl sanfter Hügel und Bergrücken, deren Entstehung auf einen tektonischen Ursprung zurückgeführt wird, also Spannungen in der Marskruste zur Ursache hat. Auf aktuellen Aufnahmen der europäischen Sonde Mars Express sticht vor allem ein großes Tal ins Auge, in dem deutlich langestreckte Fließformen zu erkennen sind.

Das Tal ist fast 50 Kilometer lang und etwa 15 Kilometer breit. Die Fließstrukturen sind gut im Bildausschnitt 1 in der schwarzweißen Draufsicht und in den ersten drei perspektivischen Ansichten zu sehen. Die Geologen bezeichnen solche Fließstrukturen als "lineated valley fill" ("streifenförmige Talfüllung"). Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass nahezu alle Hügel von einem offensichtlich plastischen Material umströmt werden und an ihrem talseitigen Ende so genannte "lobate debris aprons" ("lobenförmige Schuttfächer") ausbilden. Generell scheint sich das Material von den Hügelketten hangabwärts weg bewegt zu haben.

Auch fallen einige von Material angefüllte Krater auf, in denen ganz ähnliche Fließstrukturen zu sehen sind. Diese sind linear und zeichnen zum Teil kreisförmig den Kraterrand nach. Das bezeichnet man als konzentrische Kraterfüllungen ("concentric crater fill"). Tatsächlich lassen Radar-Messungen darauf schließen, dass in dieser Region größere Mengen von Wassereis unter der Oberfläche verborgen sind.

Die parallel ausgerichteten Fließstrukturen haben eine starke Ähnlichkeit mit Blockgletschern auf der Erde. Diese von Gesteinsblöcken und zerriebenem Felsschutt durchsetzten Eiskörper kommen auf der Erde vor allem in Permafrostgebieten der Hochgebirge oder der polaren Breiten vor. Von terrestrischen Blockgletschern ist bekannt, dass das eigentliche Eis an der Oberfläche überhaupt nicht zu sehen ist. Der bedeckende Blockschutt schützt es über lange Zeiträume vor dem Abschmelzen. Übertragen auf den Mars ist es gut denkbar, dass die hier auftretenden Strukturen von langsam über die Marsoberfläche 'kriechenden' Blockgletschern gebildet wurden - mit Sicherheit nachweisen lässt sich diese Vermutung nur auf der Grundlage von Bildern aus dem Orbit jedoch nicht.

Der südwestliche Ausläufer der Phlegra Montes wurde am 1. Juni 2011 in einer Höhe von knapp vierhundert Kilometern während Orbit 9465 überflogen. Die Bildauflösung beträgt etwa 16 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Abbildungen zeigen hiervon einen Ausschnitt bei 33 Grad nördlicher Breite und 162 Grad östlicher Länge.

Die Farbansichten wurden aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen erstellt; die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer rot-blau- oder rot-grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweiße Darstellung beruht auf der Aufnahme mit dem Nadirkanal, der von allen Kanälen die höchste Auflösung bietet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Die hier gezeigten Bildprodukte wurden in der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung, am Institut für Geologische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin erstellt.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren aus 33 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena -Optronik GmbH). Sie wird vom DLR -Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.

Quellen: dlr.de / grenzwissenschaft-aktuell.de