Wenn es um Entscheidungen geht, stimmen in beiden Fällen die Mitglieder ab: bei uns Zellen, bei Bienen Individuen.
Bienen
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Er setzt so viel Energie um wie einer von uns, er hält etwa die gleiche Körpertemperatur, aber er besteht nicht aus Zellen, sondern aus Individuen: der „Bien“. So nannte man ihn im 19. Jahrhundert, man stellte sich das ganze Volk als „Einwesen“ vor. Das tut man heute noch, nur die Semantik wurde modernisiert, Bienen sind - wie andere soziale Insekten - „Superorganismen“.

Und was sie leisten, wird immer erstaunlicher: Eine Gruppe um Thomas Seeley (Cornell University) hat getestet, wie Bienenvölker Entscheidungen fällen. Sie tun es so wie wir, die Parallelen sind für die Forscher „frappant“ (Science, 8. 12.): In unseren Gehirnen wird bei Entscheidungen abgestimmt, es bilden sich Fraktionen von Hirnzellen, die Parteigänger hinzuziehen - und das bei der Gegenseite unterbinden wollen, durch „Kreuz-Inhibierung“ - , und wenn eine Seite einen Schwellenwert überschreitet, steht die Entscheidung.

Kreuz-Inhibierung schwächt Gegenseite

Exakt so halten es die Bienen auch, wenn etwa ein Schwarm im Frühjahr eine neue Heimstatt sucht. Dann werden Scouts ausgesandt, sie kommen zurück und werben mit ihren Tänzen für die Orte, die sie gefunden haben. Auch hier bilden sich Fraktionen - eben aus Bienen statt aus Zellen - , und auch hier nehmen sie Einfluss, sie sorgen dafür, dass die Scouts der jeweiligen Gegenseite ihre Tänze vorzeitig beenden.

Die Forscher haben das erkundet, indem sie Scouts zwei geeignete Plätze anboten, Kisten, die eine innen pink, die andere gelb, die Farbe blieb an den Füßen der Bienen hängen. Dann musste nur noch exakt beobachtet werden: Kamen die Scouts von der einen Schachtel zurück, etwa die mit den gelben Füßen, dann warben sie für ihren Fund und begannen mit dem Tanz. Aber der kam oft nicht zu Ende, er wurde unterbrochen durch eine andere Biene, die auf die Tänzerin zukam und sie mit dem Kopf oder dem Hinterteil berührte. Diese „Veto-Bienen“ hatten meistens pink gefärbte Füße - sie waren Scouts der anderen Seite, hatten früher schon mit ihren Tänzen dafür geworben - und schwächten nun den Einfluss der Gegenseite auf die Entscheidung durch „Kreuz-Inhibierung“.

„Eine tolle Arbeit“, kommentiert Bienenspezialist Jürgen Tautz (Bee Group Uni Würzburg): „Das Gehirn des Superorganismus wird durch Kommunikation zusammengehalten. Offenbar unterliegen dabei die ,Denkprozesse‘ formell den gleichen Mechanismen wie bei uns.“ jl

(Die Presse, Print-Ausgabe, 10.12.2011)