Stundenlang ist am Donnerstag der S-Bahn-Verkehr in Berlin ausgefallen. Nur auf einigen Linien im Ostteil der Stadt rollten noch Züge. Hunderttausende Fahrgäste kamen nicht voran, viele waren auf den Gleisen unterwegs. Schuld daran war ein kaputtes Bauteil im Stellwerk Halensee.
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© dapd/DAPDIn Berlin sind am Donnerstag um die Mittagszeit fast alle S-Bahnen wegen eines Stromausfalls stehengeblieben.

Ein Stromausfall in einem Stellwerk hat am Donnerstag die Berliner S-Bahn erneut in ein Chaos gestürzt: Seit 11.45 Uhr fuhren im Berliner S-Bahn-Netz und auch im Umland keine Züge mehr, wie ein Unternehmenssprecher sagte. Tausende Fahrgäste saßen fest. Auch Fernzüge wie ICEs und Intercitys waren zum Teil von den Störungen betroffen, die bis auf den Osten fast das gesamte Stadtgebiet erfassten, wie ein Sprecher der Bahn sagte. Erst um 14.40 Uhr wurde der Verkehr wieder schrittweise aufgenommen.

Die Ursache für den rund dreistündigen Kollaps des Berliner S-Bahn-Verkehrs war nach Unternehmensangaben „ein technischer Defekt bei planmäßigen Wartungsarbeiten“ im elektronischen Stellwerk in Halensee. Ein S-Bahn-Sprecher sagte am Donnerstag, ein technisches Bauteil - ein sogenannter Wechselrichter - sei dabei zerstört werden. In Halensee befindet sich die Betriebszentrale der S-Bahn, in der alle elektronischen S-Bahn-Stellwerke der Metropole gebündelt werden. Es gibt aber auch noch einige alte mechanische Stellwerke, vor allem in Außenbezirken. Dass auch der Regional- und Fernverkehr gestört war, konnte ein S-Bahn-Sprecher nicht erklären. Die S-Bahn fährt auf einem eigenen Schienennetz getrennt vom übrigen Bahnverkehr.

Es gebe „keine Anhaltspunkte“ für einen Anschlag, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Ursache soll ein Kurzschluss gewesen sein, dessen genaue Ursache noch unbekannt ist. Der Sprecher korrigierte damit erste Angaben, wonach bei Bauarbeiten ein Kabel beschädigt worden sei. Es habe zwar in der Nähe Bauarbeiten gegeben, ein Zusammenhang könne bislang aber nicht festgestellt werden, sagte er.

SPD attackiert die Bahn

Verkehrssenator Michael Müller (SPD) zeigte sich verärgert. „Dass die gesamten Züge der S-Bahn durch einen einzigen Stellwerkdefekt ausfallen, ist kaum vorstellbar“, sagte er. Die SPD-Fraktion ging weiter: „Dieser Zusammenbruch des S-Bahn-Verkehrs ist ein Beleg dafür ist, dass die Bahn mit dem Betrieb der S-Bahn in der Hauptstadt überfordert ist.“ Täglich nutzen rund 1,3 Millionen Menschen die Berliner S-Bahn, die seit Jahren in der Kritik steht.

Schleppender Anlauf

Erst nach Stunden wurde der Verkehr schrittweise wieder aufgenommen. Allerdings wurde er auch immer wieder unterbrochen: Laut Bundespolizei mussten einige S-Bahn-Züge noch einmal anhalten, weil Fahrgäste sich per Nothebel befreit und den lebensgefährlichen Gang über die Gleise angetreten hatten - daneben verlaufen auf Kniehöhe Stromschienen.

Die Fernbahn sei nach etwa einer Dreiviertelstunde wieder angerollt. Die Bundespolizei brachte Fahrgäste aus Zügen, die außerhalb von Bahnhöfen standen wie am Alexanderplatz, durch die Bahnanlagen in Sicherheit.

Ab 15 Uhr fuhren die S-Bahnen auf den Linien 5, 7 und 75 wieder zu ihren regulären Endpunkten, wie die Bahn mitteilte. Auch der Verkehr der S 1, 2 und 25 durch den Nord-Süd-Tunnel habe begonnen. Für die Wiederinbetriebnahme der Ringbahnlinien S 41/42 und die Zubringerstrecken S 45, 46, 47, 8 und 9 liefen am Nachmittag die Vorbereitungen.

BVG verstärkte Angebot

Im Osten Berlins fuhren am Donnerstag die S-Bahnen der Linien S3, S5, S7 und S75. Sie endeten aber vorläufig an den Bahnhöfen Ostkreuz oder Warschauer Straße, wie ein Sprecher am frühen Nachmittag mitteilte.

Auf den vom Ausfall betroffenen Strecken wurde Fahrgästen empfohlen, auf U-Bahnen und Busse auszuweichen. Die BVG verstärkte ihr Angebot und setzte längere U-Bahnen sowie mehr Straßenbahnen und Busse ein, wie Sprecherin Petra Reetz auf Anfrage sagte. Die Ticketkontrolleure seien zudem abzogen und zur Information der Fahrgäste an Umsteigepunkten zur S-Bahn eingesetzt worden. Wer Auskunft wollte, musste sich gedulden. Die Homepage der S-Bahn war ebenfalls schwer zu erreichen.

Schätzungen zufolge zählte die BVG wegen des S-Bahn-Ausfalls am Donnerstag 100.000 Fahrgäste mehr als an normalen Tagen, an denen sie 2,5 Millionen Kunden befördert. „Die Normalisierung des S-Bahn-Betriebes dauert sicher bis in die Abendstunden. Wir gehen davon aus, dass wir die Hauptlast des ÖPNV noch bis zum Abend tragen“, sagte Reetz.

Die Berliner S-Bahn-Kunden sind leidgeprüft. Seit zweieinhalb Jahren schafft das Unternehmen nach Wartungsmängeln, Technikproblemen und Missmanagement keinen Normalbetrieb mehr. Die Reaktionen der Fahrgäste schwankten zwischen Empörung und Gleichmut. Ich werd' irre!“, schimpfte ein Passagier am Potsdamer Platz. Eine ältere Dame sagte: „Ein Stromausfall kann ja immer passieren.“

BMO/dpad/dpa/ap