Freunde teilen meist viele Ansichten - doch warum das so ist, stellt Forscher vor Rätsel. Sind Gemeinsamkeiten die Voraussetzung für eine Freundschaft, oder gleichen sich Freunde erst mit der Zeit einander an? Eine Facebook-Studie zeigt jetzt eine klare Tendenz.
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© AFPFacebook-Kontakte weltweit: Meinungen sind kaum ansteckend

Psychologen fasziniert schon lange, wie homogen es in Freundesgruppen zugeht. In der Schule, am Arbeitsplatz, im Sportverein, im Internet - stets tun sich Menschen zusammen, die viele Haltungen und Geschmäcker miteinander teilen. Warum das so ist, war bislang nicht schlüssig geklärt.

Eine Theorie lautet, dass Menschen sich bevorzugt mit solchen Zeitgenossen anfreunden, mit denen sie viele Dinge gemeinsam haben. Eine alternative Erklärung für die Ähnlichkeit unter Freunden ist ein Phänomen, das Netzwerktheoretiker als Ansteckung bezeichnen. Ansichten und Geschmäcker breiten sich demnach unter Freunden ähnlich aus wie Krankheitserreger.

Ein amerikanisches Forscherteam hat dieses Henne-Ei-Problem der Freundschaftstheorie nun in einer aufwendigen Studie auf der Plattform Facebook untersucht. Das Team um Kevin Lewis von der Harvard University in Cambridge verfolgte die Entwicklung von 1640 Studenten verschiedener US-Colleges über einen Zeitraum von vier Jahren. Die Analyse geschah anonymisiert mit Einwilligung der Betroffenen - die Forscher werteten allein öffentlich zugängliche Postings aus.

Lewis' Team interessierte sich sowohl für die Freunde der Facebook-Mitglieder als auch für ihre Angaben zu Lieblingsmusik, Lieblingsfilmen und Lieblingsbüchern. Dabei zeigte sich eine klare Tendenz: Haben zwei Personen einen ähnlichen Musikgeschmack, dann erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Laufe der Zeit zu Facebook-Freunden werden.

Ansteckung spielt kaum eine Rolle

Wenig Belege fanden die Forscher dagegen dafür, dass die Vorlieben von Freunden sich mit der Zeit angleichen. Dies sei ausschließlich im Bereich Klassik und Jazz geschehen, schreiben Lewis und seine Kollegen im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences. Abgesehen von diesen speziellen Musikrichtungen habe man das Phänomen der Ansteckung in der vier Jahre laufenden Untersuchung nicht beobachtet.

"Unsere Studie legt nahe, dass Freunde Geschmäcker nicht teilen, weil sie einander beeinflussen", erklären die Wissenschaftler. "Die Ähnlichkeiten waren ein Grund dafür, dass sie überhaupt Freunde geworden sind." Die Untersuchung habe jedoch auch einige Schwächen, wie die Forscher einräumen. Postings über die eigene Lieblingsmusik könnten auch Teil der Selbstdarstellung sein. Sie spiegeln dann nicht zwingend die tatsächlichen Vorlieben wider, sondern sollen vielmehr ein bestimmtes Bild der eigenen Person vermitteln.

Dass Facebook-Mitglieder nur selten Haltungen und Vorlieben von Online-Freunden übernehmen, kann womöglich auch mit der Filtertechnik zusammenhängen, die Facebook benutzt. Damit die Zahl der Statusmeldungen überschaubar bleibt, zeigt der Facebook-Algorithmus nämlich nur Meldungen von Freunden an, mit denen man viel interagiert - etwa durch Kommentare, Nachrichten oder das Klicken des "Gefällt mir"-Buttons. Das hat zur Folge, dass man tendenziell nur noch Äußerungen zu sehen bekommt, mit denen man selbst übereinstimmt. So kann der falsche Eindruck entstehen, die ganze Welt sei der eigenen Meinung.

hda