Chen Wei zu drittlängster Haftstrafe wegen subversiver Tätigkeit verurteilt.
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© dapd Protest gegen Kraftwerk und Verhaftungen von Demonstranten in Haimen.
Peking. (apa/gf) Nach der Veröffentlichung kritischer Texte im Internet ist ein chinesischer Menschenrechtsverfechter zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden. Chen Wei erhält damit die längste Haftstrafe unter dem Vorwurf des Umsturzversuchs, die die chinesische Justiz in diesem von einem besonders harten Vorgehen gegen Dissidenten geprägten Jahr verhängte. Das Volksgericht in Suining in der Südwestprovinz Sichuan verurteilte den 42-Jährigen am Freitag nach einer kurzen Anhörung, in der Chen nach Angaben seines Anwaltes seine Unschuld beteuerte. Chens Ehefrau Wang Xiaoyan sagte, ihre Mann sei für neun Essays verurteilt worden, die er auf Internetseiten im Ausland veröffentlicht habe. Sie seien von China aus nicht erreichbar gewesen.

Die Behörden beschuldigten Chen, der seit Februar in Haft ist, dass die Artikel einen extrem schädlichen Einfluss auf China hätten, sagte Wang in einem Telefoninterview. Ob ihr Mann in Berufung gehe, sei unklar. Nach der Urteilsverkündung zeigte sich Chen nach Angaben seines Verteidigers aber weiter kämpferisch: "Die Diktatur wird fallen, die konstitutionelle Demokratie wird sich durchsetzen." Chen musste bereits nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 für ein Jahr ins Gefängnis. Der mit Chen befreundete Menschenrechtler Huang Qi sagte, auch wegen dieser Vorverurteilung habe Chen ein besonders hartes Urteil bekommen. Die Justiz suche sich einzelne Personen aus, um ein Exempel zu statuieren und Nachahmer abzuschrecken.

Chens Haftstrafe ist die drittlängste, die in China unter dem Vorwurf subversiver Tätigkeit verhängt wurde. Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo verbüßt seit 2009 eine elfjährige Gefängnisstrafe. Liu hatte 2008 in einem Manifest zu einem Ende der KP-Herrschaft in China aufgerufen. 2010 war ihm der Friedensnobelpreis zuerkannt worden.

Tränengas gegen Proteste
Noch größere Angst hat das Regime aber vor Bürgerprotesten: Gerade erst sind im Fischerdorf Wukan Zugeständnisse gemacht worden, um Proteste wegen illegaler Landnahme durch korrupte Kader zu besänftigen. Mit weniger Nachsicht gehen die Behörden vorläufig gegen Demonstranten in der 130 Kilometer entfernten Ortschaft Haimen vor. Dort wurde am Freitag Tränengas gegen etwa fünfhundert Bewohner eingesetzt, die bereits den vierten Tag in Folge gegen die Errichtung eines Kohlekraftwerks protestieren. Ihrer Ansicht nach haben die schon bestehenden Kraftwerke zu mehr Krebserkrankungen, Umweltverschmutzung und Einbußen im Fischfang geführt. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft von Shantou habe das Vorhaben bereits am Dienstag suspendiert, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, die Demonstranten hätten davon aber teilweise nichts gewusst, andere glaubten den Versprechungen nicht.

Im lokalen Fernsehen traten Rechtsexperten auf, die eindringlich darauf hinwiesen, dass solche Aktionen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden können. Der Grund der behördlichen Nervosität hat wohl auch mit dem Schauplatz des Geschehens zu tun: Die Provinz Guandong im Süden der Volksrepublik, in der sowohl Wukan als auch Haimen liegen, ist die bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Region des Landes. Hier gibt es die meisten Industriebetriebe, und die meisten Unternehmen sind in Privatbesitz.