Pardo warnt vor leichtfertiger Beschwörung von Bedrohungsszenarien

Tel Aviv/Wien - Ein atomar bewaffneter Iran würde nicht unbedingt eine existenzielle Bedrohung für Israel darstellen. Diese Ansicht habe der Chef des Geheimdienstes Mossad, Tamir Pardo, Dienstag Abend bei einer Rede vor rund 100 israelischen Botschaftern vertreten, berichtete die israelische Zeitung Haaretz am Freitag unter Berufung auf Teilnehmer an der Veranstaltung.

Nach den Angaben dreier Botschafter erklärte Pardo, Israel verfüge über verschiedene Mittel, um das iranische Atomprogramm zu unterminieren und werde dies auch weiter tun. Sollte der Iran aber trotz allem wirklich in den Besitz von Atomwaffen kommen, müsse das nicht die Zerstörung des Staates Israel bedeuten.

"Was bedeutet der Begriff 'existenzielle Bedrohung'", zitierten die Botschafter den Mossad-Chef. "Stellt der Iran eine Bedrohung für Israel dar? Zweifelsfrei. Aber wenn jemand sagt, dass eine Atombombe in iranischer Hand eine existenzielle Bedrohung ist, dann würde das bedeuten, dass wir zusperren und nach Hause gehen können. Doch das ist nicht der Fall. Der Begriff existenzielle Bedrohung wird viel zu leichtfertig verwendet."

Den Diplomaten zufolge ging Pardo nicht auf die Möglichkeit eines israelischen Militärschlags gegen den Iran ein. Die Äußerungen des Mossad-Chefs erfolgten vor dem Hintergrund einer seit Monaten anhaltenden Debatte in Israel, ob man iranische Atomanlagen angreifen sollte.

Pardos Vorgänger als Mossad-Chef, Meir Dagan, hatte gemeint, man sollte nur zu militärischen Mitteln greifen, wenn einem das Messer an die Gurgel gesetzt werde und man bereits Schnitte im Fleisch habe. Dagan hatte auch Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Ehud Barak vorgeworfen, Israel in einen Militärschlag gegen den Iran zu drängen, der katastrophale Folgen haben würde.

APA