Chinas Kurznachrichtendienst Weibo soll unter Kuratel

Chinas Führung versucht mal wieder das Internet zu kontrollieren. Künftig müssen chinesische Blogger ihre Identität preisgeben. Wer in Peking, Guangzhou oder Shanghai einen Account beim populären Kurznachrichtendienst Sina Weibo eröffnet, muss sich seit dieser Woche anhand von Ausweisnummern von der Internetpolizei überprüfen lassen. Für die 250 Millionen schon registrierten Nutzer soll eine Übergangsfrist von drei Monaten gelten.

Chinas Propaganda hat gehörigen Respekt vor dem Internet, seit Jahren sperren die Zensoren etwa 20 000 unliebsame Webseiten. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua ernannte Weibo zwar vor kurzem zum chinesischen Hyde Park, einen Ort, an dem sich die Chinesen austauschen und ihre Meinung äußern können, doch die Angst der Behörden vor den 250 Millionen Rednern in der digitalen Speaker"s Corner ist groß.

Gegründet wurde Sina Weibo im Sommer 2009, nachdem die Regierung während der blutigen Ausschreitungen in der westchinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang die Verbindung zu Facebook und Twitter gekappt hatte. Seitdem steigt die Zahl der Nutzer rasant. Und genauso wie sich im Deutschen 'twittern' als Verb durchgesetzt hat, hat Weibo auch in der chinesischen Alltagssprache Einzug gehalten. 'Zhi weibo' - mit dem Schal winken, sagen Chinesen, wenn sie rasch noch einen Kurzeintrag im Mikroblog verfassen wollen. Das Wort für Schal hört sich fast so an wie der Name des Mikroblogs Weibo.

Die staatliche Zensur kann bei Weibo zwar bestimmte Begriffe auf den Index setzen, doch Chinas Blogger reagieren schnell. Als die Behören im südchinesischen Wukan kürzlich ein ganzes Dorf abriegelten, weil die Bewohner sich gegen die korrupte Lokalregierung aufgelehnt hatten, konnte man auf Weibo plötzlich nicht mehr nach dem Wort Wukan suchen, sondern erhielt eine Fehlermeldung. Trotzdem wurde weiterdiskutiert. Statt Wukan tippten viele Blogger bloß 'WK' in lateinischer Schrift. In der chinesischen Alltagssprache steht das für 'wo kao', was frei übersetzt 'was zum Teufel bedeutet' - eine Wendung, die von Jugendlichen benutzt wird, wenn sie Anerkennung zum Ausdruck bringen wollen.

Ähnlich kreativ reagierten die Nutzer als Liu Xiaobo im vorigen Jahr mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde. Reflexartig blockierte die Zensur, findige Blogger jedoch umschrieben Liu einfach als den 'leeren Stuhl', schließlich hatte Liu wegen seiner Haftstrafe nicht zur Preisverleihung reisen können.

Den absoluten Durchbruch erlangte Weibo in diesem Sommer. In der Nähe von Wenzhou waren zwei Schnellzüge kollidiert, 40 Menschen starben. Die chinesischen Behörden versuchten anfangs, den Fall zu vertuschen, das Hochgeschwindigkeitsprogramm ist ein Prestigeprojekt der Regierung. Auf Weibo wurde jedoch schon Minuten nach dem Crash eifrig diskutiert, Hunderttausende Blogger forderten detaillierte Aufklärung und entlarvten die Tricks der Regierung. Als die chinesische Presse vermeldete, dass Chinas Premierminister Wen Jiabao im Krankenhaus sei und deshalb nicht an den Unfallort reisen könne, posteten Blogger ein offizielles Foto. Es zeigt Wen putzmunter mit einer japanischen Handelsdelegation.