Ein 15-jähriges Mädchen in Afghanistan ist von ihrem Ehemann und dessen Familie über Monate gefoltert worden - weil sie nicht als Prostituierte arbeiten wollte. Jetzt berichtet das Kind in einem Video über seine Qualen.
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Ihr wurden vom eigenen Ehemann Haare und Fingernägel ausgerissen, mit einer Zange schnitt er tiefe Wunden in ihren Körper - jetzt hat ein Video des britischen Senders BBC das Martyrium der 15-jährigen Sahar Gul in Afghanistan öffentlich gemacht.

Das Mädchen Sahar sei im Alter von 14 Jahren an einen doppelt so alten Mann verheiratet worden, berichtete der Sender am Sonntag. Dieser sperrte sie mit Unterstützung seiner Eltern für etwa fünf Monate in einer Toilette in einem dunklen Keller, teilte die Polizei mit. Das Kind habe kaum zu essen und zu trinken bekommen.

Nachbarn hätten es weinen und vor Schmerzen stöhnen gehört und daraufhin die Behörden informiert. Der Zustand des Mädchens sei kritisch gewesen, als es vergangen Woche aus dem Haus in der nördlichen Provinz Baghlan gerettet worden sei.

Ihr Körper sei mit Narben und Blutergüssen übersät, ein Auge sei immer noch zugeschwollen, sagten Ärzte. Der Großteil von Sahars Haaren sind herausgerissen. Das Kind werde in einem Krankenhaus in Kabul behandelt. Es könne Wochen dauern, bevor es sich erholt habe.

In dem Video, dass nun von der BBC und anderen Sendern veröffentlicht wurde, wird Sahar gefragt: "Wer hat dich geschlagen?" Die Antwort: ihr Schwiegervater, ihr Ehemann, ihre Schwägerin, ihr Schwager, ihre Schwiegermutter. „Und wie?“ Mit Zangen. "Wer hat dir die Haare ausgerissen?" Die Schwiegermutter. Und: "Meine Schwiegermutter hat mir die Nägel ausgerissen."

Die Polizei in der nördlichen Provinz Baghlan erklärte, es gebe Berichte, dass die Familie das Mädchen zur Prostitution zwingen wollte und dieses sich dagegen gewehrt habe.

„Dies ist einer der schlimmsten Fälle von Gewalt gegen afghanische Frauen“, sagte Gesundheitsministerin Suraya Dalil, nach einem Besuch bei dem Kind. Das Mädchen sei vor sieben Monaten verheiratet worden, sagte Rahima Sarifi, die für Frauenrechte in Baghlan zuständig ist. „Ihre Schwiegereltern wollten sie zur Prostitution zwingen, um Geld zu machen.“

Ein Polizist, der an der Befreiungsaktion beteiligt, war, sagte, die Schwiegermutter und die Schwägerin seien festgenommen worden. Der Ehemann und der Schwiegervater seien jedoch entkommen. Nach ihnen und anderen Beteiligten werde gefahndet.

Nach Ansicht von Menschenrechtlern wird die wachsende Gewalt gegen Frauen vor allem in ländlichen Gegenden Afghanistans zu wenig beachtet. Zahlen der Afghanischen Menschenrechtskommission zufolge wurden allein im zweiten Quartal des Jahres mehr als 1000 Fälle von Misshandlungen von Frauen bekannt. Im Jahr 2010 seien es insgesamt 2700 gewesen, berichtete die BBC. Die Dunkelziffer sei zudem riesig.

Zwar hat sich die Situation von Frauen in Afghanistan seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban vor zehn Jahren verbessert. Doch nach wie vor sind Frauen Opfer von Verschleppung, Vergewaltigung, Zwangsehen und Menschenhandel. Zugleich sind Betroffene jedoch einem immensen sozialen Druck ausgesetzt, ihre Ehen zu erdulden. Zudem gilt es als „moralisches Verbrechen“, von einem Ehemann oder einer Zwangsehe davon zu laufen. Frauen befinden sich deswegen gegenwärtig im Gefängnis. Auch wurden einige Vergewaltigungsopfer inhaftiert, weil Sex außerhalb der Ehe als Ehebruch und damit ebenfalls als „moralisches Verbrechen“ gewertet wird, selbst wenn er erzwungen wurde.

Reuters/AFP/dpa/mim